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Test - It Takes Two : Ein geniales Feuerwerk der Ideen

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It Takes Two ist womöglich das kreativste, einfallsreichste und abwechslungsreichste Spiel, das ich je gespielt habe. Es wirft mit brillanten Ideen im Sekundentakt nur so um sich, dass sie eigentlich für zehn, nein, zwanzig, nein, dreißig Spiele reichen würden.

So, damit ist eigentlich alles gesagt, und ich würde diesen Test am liebsten an dieser Stelle beenden und euch einfach losschicken, um das Spiel zu kaufen und es selbst zu erleben, anstatt weiter darüber zu reden und euch womöglich die Überraschung zu verderben. Aber zum Glück hält It Takes Two so dermaßen viele Überraschungen bereit, dass es niemandem schaden wird, wenn ich ein paar davon verrate. Also los …

Liebling, ich habe die Eltern geschrumpft

It Takes Two ist das neue Spiel von Josef Fares und seiner Firma Hazelight, die bereits mit Brothers: A Tale of Two Sons ein begnadet kreatives Indie-Abenteuer und mit A Way Out das wahrscheinlich erste richtige Koop-Spiel abgeliefert haben. Denn wenngleich es natürlich viele exzellente Koop-Spiele gibt, besteht der Unterschied von Titeln wie etwa Valheim oder Borderlands zu ähnlich gearteten Singleplayer-Spielen hauptsächlich nur darin, dass man sie eben zu mehreren spielt.

In A Way Out hingegen war jede einzelne Szene und jede einzelne Spielmechanik voll und ganz auf das gemeinsame Erleben ausgerichtet. Dabei wechselte das Spiel sogar völlig fließend durch unterschiedlichste Genres: vom Puzzle-Adventure zum Deckungs-Shooter, von einer Verfolgungsjagd durch ein Krankenhaus zu einem Autorennen auf dem Highway.

It Takes Two setzt diese Linie fort und treibt sie in einem regelrechten Rausch innovativer Ideen auf die Spitze. Zwei Spieler übernehmen im Couch-Koop oder online die Rollen des Ehepaars Cody und May, die kurz vor der Scheidung stehen und von ihrer verzweifelten Tochter mithilfe eines magischen Buches in kleine Puppen verwandelt wurden. Derartig auf Däumling-Größe verkleinert müssen sich die beiden wie im Disney-Realfilmklassiker Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft ihren Weg durch den gefährlichen Garten zurück ins Haus bahnen, dort einen Weg finden, den Zauber zu lösen – während sie nebenbei natürlich insgeheim ihre zerrüttete Beziehung kitten, ohne es zu merken.

Schon allein das Erzählgenre der romantischen Komödie und das Thema „Paartherapie als turbulentes Abenteuer“ sind so ungewöhnlich für ein actionreiches Videospiel, dass man nur den Hut vor dem Wagemut von Hazelight und ihrem Willen zur Andersartigkeit ziehen kann. Spieler, die bei dieser Schilderung skeptisch die Nase rümpfen, ob sich derlei Themen mit der eigenen Männlichkeit vertragen lassen, wenn man das Spiel zusammen mit dem besten Kumpel spielt, sei gesagt: It Takes Two ist keine sentimentale Rom-Com, wie sie dem Klischee nach vor allem von Frauen mit einem Becher Schokoladeneis und einer Packung Taschentücher an einem einsamen Wochenende konsumiert wird.

Stellt euch eher kunterbunte Pixar-Komödien wie Oben oder Alles steht Kopf vor, die zwischen ihren kreativen Handlungseinfällen und dem überbordend detailverliebten Stil vor allem auch ein Herz am rechten Fleck tragen. Denn das ist schon der zweite Geniestreich von It Takes Two: sein vor Fantasie nur so übersprudelnder Look, der sich nicht nur stilistisch, sondern sogar technisch kaum vor einem Disney-Animationsfilm verstecken braucht. Allein das Aussehen der beiden Hauptfiguren – er als dickes Knetmännchen, sie als schlaksige Holzpuppe – zeugt vom ausgeprägten Stilempfinden ihrer Designer.

Auch die einzelnen Level tun sich durch ihren visuellen Abwechslungsreichtum und die unglaublich verspielte Detailfülle hervor: Der Garten mutet wie ein Dschungel voller gefährlicher tierischer Monster an, die Abenteuer im Kinderzimmer könnten direkt einem Toy-Story-Film entsprungen sein, und der Ausflug in die Kuckucksuhr (!) wird zur bizarr-überdrehten und dennoch stets liebevollen Parodie auf das Münchner Oktoberfest. Trotz seines kindlich anmutenden Looks ist It Takes Two jedoch beileibe kein durch und durch kindgerechtes Spiel: Zwischen buntem Tohuwabohu und ausgelassener Heiterkeit gerät das Spiel stellenweise erstaunlich düster oder martialisch, etwa in der köstlichen Episode, als die Eichhörnchen euch als Söldner im Krieg gegen die Wespen anheuern (ja, richtig gelesen!).

Wenn man dem Spiel eines vorwerfen möchte, dann dass Publisher Electronic Arts das Budget für eine deutsche Vertonung offenbar zu schade war. Das stellt zwar beileibe keinen Beinbruch dar, angesichts der ansonsten sichtlich sehr hohen Produktionsqualität und des finanziellen Erfolges seines Vorgängers kommt mir diese Entscheidung etwas unverständlich und beinahe schon schäbig vor.

Ein Feuerwerk der Ideen

Doch letzten Endes hättet ihr alles bisher Geschriebene auch einfach überspringen können, denn im Kern geht es in It Takes Two nur um eines: das pure Gameplay. Und das öffnet eine kreative Wundertüte, wie sie in der Spielegeschichte ihresgleichen sucht. Über weite Strecken ist It Takes Two ein lebensfroher 3D-Plattformer wie Mario Odyssey und seine Artverwandten. Doch wie schon sein Quasi-Vorgänger A Way Out wechselt das Spiel gerne und plötzlich auch mal mittendrin einfach das Genre, wird in einem Abschnitt zum 2D-Jump-n-Run, einer Art Third-Person-Shooter, bei dem der eine Spieler die Gegner mit einer entflammbaren Flüssigkeit besprüht und der andere sie zur Explosion bringt. Es gibt eine Railshooter-Szene, in der der eine Spieler ein Floß durch den Abwasserkanal lenkt, während der andere Hindernisse aus dem Weg ballert, sogar einen Diablo-ähnlichen Abschnitt durch ein Spielzeug-Schloss … aber Stopp, ich verrate schon zu viel.

Bereits der erste Level fährt gefühlt mehr Ideen auf als andere Spiele über ihre komplette Spielzeit. Da jagen wir eine aus dem Stromkasten entlaufene Sicherung wie das Helferlein von Daniel Düsentrieb durch den Heizungskeller. Das Spiel wechselt dabei fließend zwischen kleinen Kooprätseln, kniffligen Sprungpassagen und plötzlichen Perspektivwechseln in die 2D-Seitenansicht als Hommage an die Ursprünge des Genres.

Etwa alle zehn Sekunden überrascht das Spiel mit einem neuen Einfall. Nichts wiederholt sich, es gibt keine Sekunde Leerlauf, keine Verschnaufpause, und wenn man denkt: „Was soll jetzt noch kommen? Allmählich kann ihnen doch echt nichts Neues mehr einfallen“ führt das Spiel eine weitere Spielmechanik ein und legt erst nochmal richtig los.

Jede einzelne dieser Mechaniken ist stets und grundsätzlich auf das kooperative Zusammenspiel ausgerichtet: Während der eine Spieler im Heizungskeller einen kniffligen Hindernis-Parcours absolviert, muss der andere für ihn aus der Ferne die Plattformen und Wände rechtzeitig in Position schieben. In der Garage erhält der eine Spieler eine Nagelpistole, mit der er Nägel in die Wände schießt, die der andere Spieler als Kletterhaken nutzt, um daran entlang zu hangeln.

In der Pendeluhr dreht der eine Spieler die Zeit vor und zurück, um den anderen auf einer umstürzenden Statue rückwärts durch die Zeit nach oben zu hieven. Auf einem Papierflieger müssen die Spieler in gemeinsamer Absprache die Balance austarieren, um auf dem richtigen Weg zum Ziel zu schweben, und im Planeten-Mobile im Kinderzimmer steht der eine Spieler kopfüber in der Welt, wohingegen der andere seine Größe verändern kann, um winzig klein durch Schlüssellöcher zu passen oder als Riese mit seinem Gewicht die Wippe zu kippen. Völlig irre ist auch die Reise ins Kaleidoskop, das mit seinen bunten Farb- und Lichtspielen fast schon einem Drogentrip gleichkommt.

Und dann die Bosse erst: Der erste ist ein garstiger Staubsauger, der nur besiegt werden kann, wenn der eine Spieler mit dem Schlauch seine Bomben einsaugt, während der andere sie am gegenüberliegenden Ende auf den Gegner schießt. Im Kampf gegen einen mechanischen Stier lenkt ihn der eine Spieler wie ein Torero ab, während der andere die Fallen in Position bringt. Und die hinterhältige Werkzeugkiste sorgt für heilloses Durcheinander, weil sie mit ihrer Säge das Brett, auf dem ihr steht, nach und nach in Stücke schneidet und es in der stetig enger werdenden Arena immer schwerer wird zu unterscheiden, welche der beiden umherwuselnden Figuren ihr eigentlich gerade steuert.

Angesichts der Masse an unterschiedlichsten Ideen verfügt It Takes Two über eine erstaunlich lange Spielzeit von etwa 14 Stunden, die so vollgepackt sind wie in keinem anderen Spiel, das ich kenne. Noch dazu zum günstigen Preis von nur 40 Euro. Ebenfalls sehr lobenswert: Wie schon bei A Way Out müssen nicht beide Spieler eine Version des Spiels kaufen. Selbst wenn ihr es online mit einem Freund spielt, könnt ihr ihn per „Freundes-Pass“ einladen, damit er kostenlos eurem Spiel beitreten kann.

It Takes Two - Koop-Zocksession und Josef Fares im Interview

Felix und Pirmin zocken den Anfang von It Takes Two in einer Koop-Session. Außerdem konnte Felix mit Josef Fares sprechen, dem kreativen Kopf hinter dem Spiel. Was für ein sympathischer Mensch!

It Takes Two wäre derart, vor allem auch wegen seiner im Herzen romantischen Thematik, das ideale Spiel, um es mit dem Partner zu spielen, auch oder gerade wenn dieser eure Leidenschaft für Videospiele nicht im gleichen Maße teilt. Doch wenngleich der Schwierigkeitsgrad des Spiels jederzeit perfekt zwischen durchaus fordernd und dennoch machbar balanciert, legt er schon vom ersten Moment an auf einem Niveau los, das es für Spieler, die den Umgang mit dem Controller nicht schon seit Jahren verinnerlicht haben, leider ungeeignet macht. Verschiedene einstellbare Schwierigkeitsgrade wären in diesem Sinne für zukünftige Updates wünschenswert, um dem virtuellen Ansinnen des Spiels auch in der Realität gerecht zu werden: als Gelegenheit zur Vertiefung der romantischen Bindung mit dem Lebenspartner.

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