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Test - Tomb Raider : Töten statt Titten

  • PC
  • X360
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Masse statt Klasse

Weniger schön ist, dass die Gegner oft wellenweise auf einen zustürmen und diese Wellen manchmal kein Ende nehmen wollen. So beobachten wir unsere junge Dame immer wieder dabei, wie sie scharenweise Gegner niederstreckt. Dadurch verkommt der Kampf leider viel zu oft zur gut gemachten, aber irgendwie nicht logisch wirkenden Fließbandarbeit. Zumal die Entwickler weitgehend darauf verzichtet haben, alternative Wege zu bieten. Nur selten ist es möglich, Gegner zu umgehen oder auszutricksen. Immer wieder werdet ihr in Gebiete oder Schläuche getrieben, die euch zum Kampf zwingen, und das ist sehr schade. Weniger Kämpfe, aber dafür intensivere und mit mehr Katz-und-Maus-Spiel wären sinnvoller gewesen.

Man hätte es sich so sehr gewünscht, diese Angst und Panik, die Lara eigentlich empfinden müsste und uns in den Zwischensequenzen vorgegaukelt wird, auch im Spiel fortgesetzt zu finden. Doch statt der Fantasie des Spielers hier freien Lauf zu lassen oder eine Wahl der Mittel zu bieten, wie beispielsweise in einem Dishonored, versiegt Laras Überlebenskampf in stumpfem Geballer, das zwar fordernd ist, aber insgesamt zu wenige taktische Elemente beinhaltet. Leider fehlen damit auch die spielerischen Höhepunkte, denn selbst die wenigen Bosskämpfe sind schnell gemeistert und im Gegensatz zu den Standardfeuergefechten wenig fordernd.

Immer wieder leichte Schwächen

Der Survival-Aspekt, der im Vorfeld so gern benutzt wurde, kommt also in Summe viel zu kurz und wird, wenn überhaupt, nur vom Ambiente der Insel wirklich vorgelebt. Selbst die Nahrungssuche ist nur ein einmaliger Moment zu Beginn des Spiels – die Jagd dient später nur noch zum Sammeln von ein paar Erfahrungspünktchen. Auch in anderen Bereichen bleibt Tomb Raider trotz aller Pracht und der guten Spielbarkeit dünn. Laras Kameraden zum Beispiel stammen beinahe völlig aus der Klischeeschublade und Gruppendynamik kommt nur selten auf. Da sind die zickige Afroamerikanerin, der leicht wahnsinnige Wissenschaftler und der gutherzige Nerd – alle eher unoriginell und farblos in Szene gesetzt.

Die Entwickler haben zudem versucht, die wenig originelle Handlung durch Düsternis und Grusel aufzupeppen, haben es dabei aber völlig mit Blut und Knochen übertrieben. Der Mythos der Insel wirkt damit aufgesetzt und kann nur selten mit echter Atmosphäre glänzen. Irgendwie legen die Entwickler die Karten zu früh auf den Tisch und es kommt keine Spannung auf. Rätsel sind übrigens auch ziemlich selten. Lediglich in den optionalen versteckten Gräbern kommt mal die eine oder andere Kopfnuss oder Geschicklichkeitsübung vor, die aber meist selbst von einem gut dressierten Schimpansen gelöst werden könnte. Nett hingegen ist, dass ihr auch nach dem Abspann die Insel noch weiter erkunden könnt.

Tomb Raider - Crossroads Trailer
Der Crossroads Trailer zu Tomb Raider zeigt einige Szenen aus der deutschen Version des Spiels.

Überlebenskampf

Zu dem toll aussehenden, gut spielbaren, aber insgesamt sehr leichtgewichtigen Abenteuer gehört noch ein Mehrspielermodus, der aus der Feder von Eidos Montreal stammt. Bis zu acht Spieler können in Gefechten der Schiffbrüchigen gegen die Solarii genannten Inselbewohner antreten, wobei ihr Figuren aus dem Solomodus steuert. Lara wird allerdings erst mit Level 60 freigeschaltet. Jeder Charakter verfügt über Ausrüstungssets, bestehend aus Primär- und Sekundärwaffe, sowie zwei Fähigkeiten, die ebenso wie Waffen-Upgrades nach und nach anhand von Erfahrungspunkten, Leveln und Bergungsgut freigeschaltet und gekauft werden können.

Vier Spielvarianten werden geboten, darunter Team-Deathmatch und eine Deathmatch-Variante. Wichtiger sind die Modi „Rettung“ und „Schrei um Hilfe“, in denen Teams aus Überlebenden und Solarii gegeneinander antreten. So gilt es, entweder Erste-Hilfe-Pakete zu sammeln beziehungsweise eine bestimmte Anzahl Überlebender umzulegen oder Funksender zu aktivieren beziehungsweise Batterien zu erbeuten. Die Karten bieten einige interaktive Aspekte wie Kletterbereiche oder aktivierbare Fallen. Insgesamt weist der Mehrspieler aber keine Besonderheiten auf und dürfte kaum lange bei der Stange halten. Eine nette Zugabe, die aber nicht notwendig gewesen wäre.

Fazit

Andreas Philipp - Portraitvon Andreas Philipp

Crystal Dynamics hat für mich die Chance verpasst, aus dem Neustart von Tomb Raider ein großartiges Spiel zu machen. Das liegt vor allem daran, dass ich Lara Croft ihre Wandlung vom unbedarften Mädchen zur beinharten Abenteurerin, die sie mir so gerne vorgaukeln möchte, nicht abkaufe. Wie denn auch, wenn die emotionalen und moralischen Momente der zuweilen richtig guten Zwischensequenzen, die zusammengenommen einen prima Kurzfilm über Laras Werdegang bieten würden, immer wieder binnen wenigen Augenblicken vom eigentlichen Spiel ad absurdum geführt werden. Wie denn auch, wenn mir die Zerrissenheit der Hauptfigur nach dem ersten Töten eines Menschen zwar glaubhaft vor Augen geführt wird, ich aber in den nächsten Minuten und Stunden ganze Scharen von Gegnern, ohne mit der Wimper zu zucken, auf teilweise ziemlich rabiate Art und Weise ins Jenseits befördern muss. Und nebenher bekomme ich auch noch Boni für Kopfschüsse und Stealth-Kills . Ja, „Überleben um jeden Preis“ war das Motto des Spiels, aber so, wie das hier umgesetzt wurde, ist mir das streckenweise zu banal.

Ich hätte mir gewünscht, dass das - wenn schon unvermeidliche - Töten emotionale Höhepunkte in einem ansonsten ziemlich vorhersehbaren Spiel bietet und nicht zur Fließbandarbeit degradiert wird. Dass mir das Spiel die Möglichkeit lässt, mein Gehirn zu benutzen, um Gegner auszutricksen oder zu umgehen, und mich nicht in die Kämpfe gegen zuweilen nicht enden wollende Gegnerscharen zwingt. Die Angst vor dem Entdecktwerden, die Furcht vor dem Tod, die atemlose Flucht vor dem übermächtigen Feind – all das hätte das Spiel sehr aufgewertet. So aber ballere ich mich spielerisch flüssig, aber ohne echte Höhepunkte und außer in den Zwischensequenzen auch ohne Emotionen durch ein gut inszeniertes Spiel mit einigen fantastischen Umgebungen.

Tomb Raider ist beileibe kein schlechtes Spiel, sondern unterm Strich ein unterhaltsamer, wenn auch recht vorhersehbarer Third-Person-Action-Titel, der sich handwerklich, technisch und spielerisch kaum eine Blöße gibt. Mehr aber eben auch nicht: gut dekoriertes und knalliges Fastfood für die moderne Spielergeneration. Die junge Lara hätte zu einer strahlenden und schillernden Heroine werden können, zu einer Leitfigur, die selbst ihr älteres und brustlastigeres Alter Ego in den Schatten gestellt hätte. In dieser Form ist sie jedoch nur eine 08/15-Ramboine, die vorgibt, mehr zu sein, als sie wirklich ist.

Überblick

Pro

  • sehenswerte Umgebungen
  • gut funktionierende Spielmechanik
  • schöne Lichteffekte
  • ansehnliche Texturen
  • versteckte Gräber wecken Erinnerungen an alte Teile
  • erfreulich clevere Gegner-KI
  • natürlich wirkende Animationen
  • gute deutsche Vertonung
  • viele nützliche Tools und Waffen
  • ordentliches Fähigkeits- und Upgrade-System
  • nach dem Ende weiter spielbar
  • rasant inszeniert
  • technisch auf hohem Niveau
  • schönes TressFX-Feature (PC)
  • stabile Performance (PC)

Contra

  • viele unnötige Unterbrechungen
  • wenig spielerische Freiheit
  • keine Nahrungssuche
  • Rätsel fast nur in versteckten Gräbern
  • flache Nebencharaktere
  • Laras Wandlung wirkt unglaubwürdig
  • emotionale Zwischensequenzen passen nicht zur emotionslosen Spielmechanik
  • wenig überraschende Handlung
  • kein echter Spannungsaufbau
  • etwas zu viel Krachbumm
  • einige zu ausufernde Kämpfe

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