Als hätte Disney den Ersten Weltkrieg verfilmt11-11 Memories Retold ist der für ein Videospiel außergewöhnliche Versuch, die Ereignisse des Ersten Weltkrieges nicht als Heldenepos oder Geschichtsstunde nachzuerzählen, sondern die ganz persönlichen Schicksale einfacher Soldaten an der Front auf authentische Weise erfahrbar zu machen. Dafür wählte Entwickler Digixart in Zusammenarbeit mit dem Filmstudio Aardman eine einzigartige Ästhetik, der nicht an einer realistischen Präsentation des Geschehens gelegen ist, sondern die im Stile impressionistischer Malerei seine Stimmung und Emotionalität hervorhebt.
Seine stärksten Momente entwickelt 11-11 in den stillen Szenen, wie sie in den Heldengesängen eines Call of Duty in der Regel untergehen: dem zermürbenden Alltag in den Schützengräben, dem dazu surreal gegensätzlichen Idyll der Fronturlaube oder der förmlich spürbaren Verzweiflung zwischen den unzähligen Leichen und Gräbern auf den Soldatenfriedhöfen.
So bemerkenswert sein Ansinnen ist, stehen 11-11 letztlich die eigenen künstlerischen Ambitionen im Weg. Erzählerisch hinterlässt Memories Retold einen zwiespältigen Eindruck. Seine teils geradezu märchenhaften Szenen, magischen Wendungen und die beinahe schon fahrlässig naiven Verhaltensweisen der Charaktere sorgen dafür, dass 11-11 statt eines authentischen Einblicks in persönliche Schicksale lediglich ein sentimental verklärtes Zerrbild davon zeichnet, das wirkt, als habe Walt Disney einen Zeichentrickfilm über den Ersten Weltkrieg gedreht. Drollige Tierfiguren inklusive.
Komplettiert wird dieser Eindruck durch den wahrscheinlich von Grund auf fragwürdig gewählten Stil, der in seinen romantisierenden Bildern das Geschehen zum genauen Gegenteil von dem werden lässt, was es mal darstellen sollte: statt ehrlicher Authentizität nur platter, manipulativer Kitsch. Die gut verdauliche Moral dazu ist so leicht, sie schwimmt bestimmt sogar in Milch.
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