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Test - Serious Sam 4 : Gehirn aus – Spaß an!

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Nostalgietrip mit Ansage: schrullige One-Liner, endlose Monsterhorden und ein Spielsystem, das sich seit dem Jahr 2000 nicht geändert hat. Serious Sam 4 ist ein in Code gegossener Anachronismus, der sich mit Haut und Haar dem Fanservice verschreibt und ohne jede Scham längst bekannte Stilmittel verwurstet. Reicht das heute noch für einen Ballerhit?

Serious Sam vermittelt seit jeher ein Spielgefühl, das nur schwer in Worte zu fassen ist, aber der folgende Vergleich kommt ungefähr hin: Stellt euch vor, ihr würdet auf dem Münchener Oktoberfest ein riesiges Schild vor euch hertragen, auf dem in dicken Lettern das Wort Freibier steht. Der Rest eures Tages bestünde aus dem Versuch, die wildgewordene Masse an Biertrinkern in Schach zu halten.

Sam trägt kein Schild. Freibier steht auch nicht auf seiner Stirn geschrieben, zumal ihm keine Gerstensaftfreunde auf die Pelle rücken, sondern fiese Alien-Invasoren. Trotzdem stürmen endlose Scharen auf ihn zu, als ob er ein verführerisches Pheromon versprühte. Egal wo er steht, egal wie viele Begleiter er hat, die Außerirdischen wollen nur ihm ans Leder. Da hilft nur Waffengewalt.

Nicht, dass Sam daraus ein Drama machen würde. Wer die Vorgänger kennt, weiß, dass er keine Miene verzieht. Eiskalt wie der Terminator lässt er Blei regnen. Nur seine dummen Sprüche, deren Qualität irgendwo zwischen „so blöd, dass es wieder komisch ist“ und „eiskalt abgefrotzelt“ liegen, beweisen, dass er aus Fleisch und Blut besteht.

Dauerfeuer ist somit in doppeltem Sinne Programm. Sam ballert aus allen Rohren, ob nun verbal oder aus seinen Knarren, derer es insgesamt 15 verschiedene gibt. Neue Sprüche fallen dabei auf jeden Fall. Die meisten sind einfach nur flach, aber manchmal übertrifft sich das Schreiberteam hinter den Dialogen selbst. Die ein oder andere Lachpause kann man also durchaus einrechnen, auch wenn es manchmal nur um einen geklauten Looney-Toons-Witz geht.

Neue Spielmechaniken sind dagegen eher selten. Am auffälligsten dürfte der Skill-Tree sein, den man durch das Auffinden lilafarbener Orbs schrittweise ausbauen darf. Er schaltet Perks frei, die Gegner nach dem Ableben dazu bringen, Munition und Heilung zu generieren, oder Sam die Verwendung zweier Handwaffen gleichzeitig ermöglichen.

Alles andere ist Serious Sam, wie man es kennt, ohne Ausnahme. Viele Gegner, viel Chaos, massig Explosionen und ein klein wenig klischeeverseuchte Handlung, die das Konstrukt zusammenhält. Es geht um eine Mischung aus völlig absurder Ein-Mann-Armee-Kriegsführung, unglaubwürdiger Materialschlacht, völlig aus der Zeit gefallenem Macho-Gehabe und Schubweise ausgelösten Adrenalinstößen.

Kurzum: Serious Sam ist ein strunzdummes Ballerspiel simpelster Sorte, aber doch so schnell und energiegeladen, dass man mit Freude das Hirn ausschaltet, um niederen Instinkten freien Lauf zu lassen. Je weiter das Spiel voranschreitet, desto weniger fehlt bis zum völligen Gegner-Overkill. Regelmäßig strömt eine Fantastilliarde abstruser Gestalten auf einen zu, die so einschüchternd ist, dass man instinktiv den Rückwärtsgang einlegt.

Sie alle mit tödlichen Geschossen aus dem Raketen- und Granatwerfer oder anderen dicken Wummen in die Luft zu sprengen, ist ein wahrer Genuss, bei dem man jeden noch so tiefsitzenden Feierabendfrust innerhalb weniger Minuten abbaut. Je heller die Explosionen, desto heller die Freude. Guilty Pleasure nennt man im Englischen eine Tätigkeit, die eigentlich unter dem eigens erwarteten Niveau liegt, aber so viel Spaß bereitet, dass man über den eigenen Schatten springt. Serious Sam 4 fällt ohne Zweifel in diese Kategorie.

Wer nicht hören will, muss ballern

Strategie? Nun, die stellt kein völliges Fremdwort dar. Wenn die berühmt berüchtigten kopflosen Selbstmord-Bomber mit lautem Brüllen auf Sam zurennen, muss man schnell entscheiden, welchen man zuerst ins Nirwana schickt oder welcher von ihnen womöglich als Auslöser einer explosiven Kettenreaktion dienen könnte. Akustik spielt dabei eine tragende Rolle. Über eine Surroundanlage vernimmt man leicht, aus welcher Richtung welche Art Gegner heranstürmt, sodass die entsprechende Reaktion nur noch eine Frage des Geschicks darstellt. Angesichts der hohen Anzahl unterschiedlicher Monster, von winzig kleinen Zerg-Klonen bis hin zu turmhohen Eidechsen und noch größeren vierarmigen Muskelpaketen, ist das ein wichtiger Knackpunkt im Spielablauf.

Wird Sam umzingelt – was nicht selten passiert – muss man viel öfter hören als sehen, wie man der Meute entkommt und auf welcher Höhe das Fadenkreuz liegen sollte. Viel mehr Tiefgang als die Unterscheidung von Trefferzonen darf man bei der Gegneranalyse aber nicht erwarten. Trickreiche Herangehensweisen erfordern höchstens Gegner mit starken Schilden, und die kann man meist mit einer Nahkampfattacke überlisten.

Einzig die antiquierten Rüstungs-Regeln aus den frühen 2000ern maßregeln hemmungslose Kamikaze-Soldaten, denn Sam heilt sich nicht selbst nach einer Weile, wie es bei den meisten heutigen Shootern üblich ist. Herumliegende Heilungs-Pickups und Rüstungs-Sets spendieren unserem abgebrühten Helden ein mehr oder weniger dickes Polster an Trefferpunkten, dessen Effektivität vom Schwierigkeitsgrad abhängt.

Auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad – genannt Tourist – sind Heilungspakete beinahe unnötig. Gegnerische Treffer rangieren im einstelligen Prozentbereich, sodass man gemütlich durch das Spiel spaziert, völlig gleich, wie groß die Gegnerarmada sein mag. Das ist nur etwas für Leute, deren Frustresistenz gen Null reicht. Auf den Stufen Leicht und Normal geht es dagegen schon so heftig zur Sache, dass man spätestens ab Level 4 ein paar Neustarts einplanen muss. Alles darüber gehört in die Kategorie Härtetest für Abgebrühte. Serious Sam 4 gibt sich – wie seine Vorgänger – unbarmherzig, wenn nicht gar ein wenig unfair, wenn man es darauf anlegt.

Generell muss man Unterschiede zu Serious Sam 2 und 3 mit der Lupe suchen. Eigentlich fallen dabei nur zwei Dinge ins Gewicht, nämlich die Handlung und die Geschwindigkeit, mit der Teil 4 zu den chaotischen Massenschlachten zurückkehrt, was glücklicherweise nicht allzu lange dauert. Die Geschichte von Sam 4 wurde zwischen den Teilen 2 und 3 angesiedelt, erzählt also nichts, was zu einem Abschluss der Saga führen könnte.

Ein paar der Nebendarsteller dienen als Fährtenführer, darunter ein Armee-Rookie namens Kenny, der anfangs durch nerdige Attitüde und Weinerlichkeit auffällt, aber nach und nach dank Sams Anleitung zum sprücheklopfenden Bad-Ass heranwächst. Stets im Hintergrund agiert dagegen ein schrulliger deutscher Professor mit klischeebehaftetem Akzent, der Missionen aufdröselt und Sekundäraufgaben zuweist, mit denen man Waffenupgrades verdient. Meist geht es um einfache Fetchquests, die ein wenig davon ablenken, dass man sich zeitweise durch einen engen Levelschlauch metzelt – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Alles in allem klingt das nach dem klassischen Spielerlebnis, das Fans kennen und lieben, aber Serious Sam 4 schwächelt auch an einigen Stellen. Mitunter fehlt es an einer ausgeglichenen Balance zwischen den Spielmodi und an einer ausgereiften Technik. Ganz zu schweigen von einem distinktiven Design. Aber eines nach dem anderen.

Aus der Recycling-Tonne

So aufregend Massenschlachten auch sein mögen, sie werden auf Dauer ganz schön anstrengend. Abwechslung versprechen einige Sequenzen, die man in Fahrzeugen absolviert. Etwa das buchstäbliche Plattwalzen von Aliens in einem Mähdrescher. Der Anspruch schwankt dabei heftig und findet keine rechte Balance, so als ob die Spielabschnitte in falscher Reihenfolge aufgereiht worden wären.

Noch mehr Kontrast kommt durch den Koop-Modus zustande, den bis zu vier Online-Spieler simultan angehen dürfen. Das gemeinsame Ballern bereitet viel Spaß, zumal die Anzahl an Gegnern nochmals zunimmt. Was aber fehlt, ist eine Herausforderung. Im Koop-Modus stirbt man nicht, man pausiert lediglich für ein paar Sekunden, wenn die Trefferpunkte zuneige gehen. Dadurch verliert jeder noch so große Obermotz seinen Schrecken. Außerdem bleiben Detailerrungenschaften nicht gespeichert, weil Koop-Sitzungen kapitelweise starten. Speicherstände bleiben der Einzelspieler-Kampagne vorbehalten und werden separat behandelt. Kommt ihr also irgendwo nicht weiter, könnt ihr nicht einfach einen Freund zur Hilfe holen.

Serious Sam 4 - Releasetermin per Teaser angekündigt

Kaum zu glauben, aber wahr: Serious Sam 4 hat nun endlich einen finalen Releasetermin bekommen. Demnach erscheint das Spiel nun endgültig am 25. September 2020 via Steam und Stadia.

Der dickste Lapsus liegt allerdings in der technischen Präsentation. Handwerklich läuft Serious Sam allen modernen Entwicklungen hinterher, angefangen bei überwiegend groben Texturen, die man in dieser Form seit 2016 nicht mehr gesehen hat, bis hin zu Shading-Fehlern, flackernden Schatten und spät ladenden, wenn nicht gar plötzlich verschwindenden Texturen. Grafische Bugs sind kein permanentes Phänomen, aber sie stören in unangenehmer Regelmäßigkeit das Bild.

Erstaunlich angesichts der Tatsache, dass viele Grafikbestandteile aus dem Rätselspiel The Talos Principle (das ebenfalls aus der Feder von Croteam stammt) übernommen wurden. Darunter viele Texturen, aber auch ganze Assets wie etwa Säulen-Sockel, Stadtmauern und einiges mehr. Das Rom-Level besteht zu großen Teilen aus wiederverwendeten Grafikelementen aus dem Jahr 2014. Das ist an sich schon peinlich genug, aber dazu noch Grafikfehler zu fabrizieren, klingt nach schludriger Entwicklung. Zumal selbst der Day One Patch einige seltsame Darstellungsmacken nicht beheben konnte. Darunter Skalierungs-Streifen, Nachladeruckler beim Betreten neuer Gebiete, unerklärliche kurze Performance-Einbrüche … Da gibt es einiges nachzupatchen.

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