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Test - The Order: 1886 : Im goldenen Käfig

  • PS4
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So schön, so steril

Es ist schon überwältigend, wie sich The Order: 1886 grafisch präsentiert. Der Detailgrad ist atemberaubend und besonders die Charaktere wirken nahezu lebensecht. Wüsste man es nicht besser, könnte man die Spielszenen für einen Animationsfilm halten. Bei Ready At Dawn werden anscheinend viele talentierte Designer beschäftigt, die sich mit diesem Spiel komplett austoben durften. So wechseln die Schauplätze von düsteren U-Bahn-Stationen über verdreckte Hinterhöfe oder verlassene Krankenhäuser bis hin zu sonnendurchfluteten Hafengebieten. Klarer Höhepunkt ist das Kapitel auf der majestätischen, an eine fliegende Titanic erinnernden Agamemnon. Die Kämpfe in der Industrieküche des Zeppelins sind spektakulär, weil man hier endlich mal das Gefühl bekommt, mit dem zur Verfügung stehenden Waffenarsenal die Umgebung richtig auseinandernehmen zu können, auch wenn es klare Restriktionen gibt.

Zwar wird die Interaktivität mit der Umgebung auf ein Minimum reduziert, aber das fällt nicht weiter ins Gewicht. Störender sind da schon die zahlreichen Ungereimtheiten in der Umgebung. Zwar mögen es für viele nur Kleinigkeiten sein, aber Schaufenster zeigen sich beispielsweise unbeeindruckt, wenn ihr sie mit Blei füllt. Auch Pfützen zeigen keine Reaktion, wenn ihr in sie tretet. Ebenfalls unverständlich: Zahlreiche Waffen und Munitionskisten tauchen sofort wieder auf, nachdem ihr sie aufgesammelt habt. So kommen viele störende Schlampigkeiten zusammen, die in ihrer Summe die Atmosphäre trüben.

Und was ist jetzt?!

Dann ist auf einmal Schluss. Es ist ja nicht schlimm, dass The Order: 1886 eine überschaubare Spielzeit hat, immerhin wird man in der Zeit gut unterhalten. Das Ende lässt euch jedoch so gnadenlos im Regen stehen, dass es mehr als unbefriedigend ist. Zu viele Fragen bleiben unbeantwortet, zu viele Charaktere haben keine Chance, ihr Potenzial zu entfalten. Stattdessen wird eine Viertelstunde vor dem enttäuschenden Endkampf eine komplett neue Figur eingeführt, die den Eindruck macht, eine tragende Rolle zu spielen, nur um dann wieder komplett von der Bildfläche zu verschwinden.

Nichts gegen offene Enden, Cliffhanger sind sowohl beim Film als auch in Fernsehproduktionen ein beliebtes Stilmittel. Hier wurde aber mit der Schere einfach großzügig das große Finale abgeschnitten, um es für eine mögliche Fortsetzung aufzusparen und auszuschlachten. So beobachtet man ungläubig den Abspann und ärgert sich. Man ärgert sich, weil diese Welt so viel zu bieten hat, man euch aber mit Händen und Füßen davon abhält, tiefer einzutauchen.

Fazit

Christian Kurowski - Portraitvon Christian Kurowski
Optisches Feuerwerk, das spielerisch zu kurz kommt

Seit dem Ende von Criterions Black habe ich mich nicht mehr so sehr über den Abspann eines Spiels geärgert. Einige Minuten vorher zeigen alle Zeichen auf einen ultimativen Showdown, allerdings ist dann einfach Schluss. Viel zu viele Fragen bleiben unbeantwortet, sowohl bezüglich der Charaktere als auch der Ereignisse. Hier sparen sich die Entwickler zu viel für einen unvermeidlichen Nachfolger auf. Das ist sehr schade, denn die abgefahrene Steampunk-Welt und ihre Bewohner sind fast durch die Bank interessant - allen voran Sir Galahad, der eine spannende Entwicklung erlebt. Abgesehen vom ärgerlichen Ende erwartet euch bei The Order: 1886 das wohl hübscheste Erlebnis für die noch junge PlayStation 4. Die grafische Imposanz ist wichtig, ist der Third-Person-Shooter doch ansonsten spielerisch höchstens gut programmierter Durchschnitt. Entwickler Ready At Dawn hat einiges an Potenzial auf der Strecke liegen lassen, aber aufgrund der interessanten Welt und des abrupten Endes kann ich einen Nachfolger kaum erwarten.

Michael Zeis - Portraitvon Michael Zeis

The Order: 1886 ist ein Gemälde, durch das man spaziert und das man bestaunt. Es ist wunderhübsch anzusehen, aber es bleibt doch still und leblos. Im Gegensatz zur Hauptfigur, die ich besser finde als alle neuen Charaktere, die uns 2014 vorgesetzt wurden. Galahad (aka Grayson) entwickelt sich tatsächlich. Er verändert sich während des Spiels merklich aufgrund einschneidender Erlebnisse. Leider befindet sich der Rest von The Order: 1886 nicht auf demselben hohen Niveau. Häufig wirkt das Spiel eher wie ein Film, der ab und zu automatisch pausiert, damit ihr auf Play drücken müsst, um den Streifen wieder weiterlaufen zu lassen. Natürlich ist das nicht wörtlich zu nehmen. Die imaginäre Play-Taste steht für diverse, meist massiv unterfordernde Quick-Time-Events, die manchmal tatsächlich nur aus einem einzigen Tastendruck bestehen. Entscheidungen à la Quantic Dream (Heavy Rain, Beyond: Two Souls) gibt es leider nicht. Die Schusswechsel sind allesamt nach Schema F konstruiert und motivieren nur bedingt, da man eben hauptsächlich wissen möchte, wie die Geschichte weitergeht. Letztendlich wurde ich dank der Erzählung gut unterhalten und Galahad hat mächtig Eindruck bei mir hinterlassen. Aber für höhere Wertungsregionen bietet The Order: 1886 auf der spielerischen Seite schlicht zu wenig.

Überblick

Pro

  • unfassbar hübsche Grafik
  • interessante Charaktere
  • tolle sowie glaubwürdige Steampunk-Welt
  • solide Ballerkost (sagt Kuro)
  • atmosphärischer Soundtrack
  • gute deutsche Sprachausgabe

Contra

  • unbefriedigendes Ende
  • spielerisch ohne große Überraschungen
  • spannungsarme Schleichpassage
  • nur solide Ballerkost (sagt Michi)
  • Umwelt wirkt steril
  • kleinere Grafikfehler

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