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Special - Homosexualität : Von YouTube-Stars und Spieleredakteuren

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Interview: Sebastian Weber

Gameswelt: Stell dich bitte kurz vor. Was machst du in der Spiele-Branche?

Sebastian: Mein Name ist Sebastian Weber und ich arbeite im Moment nur noch als freier Autor in der Spiele-Branche. Zuvor gehörte ich rund fünf Jahre zum Redaktionsteam von PC Games (später auch PC Action, play³ und X3) und arbeitete dann zwei Jahre für den deutschen Publisher Kalypso Media als Localization-Manager, sprich, ich sorgte dafür, dass die Spiele übersetzt und vertont werden.

Gameswelt: Mit dem Coming-out von Hitzlsperger ist das Thema "Homosexualität" in den Medien wieder in den Vordergrund gerückt. Seit wann weißt du, dass du dich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlst?

Sebastian: Das mit dem Wissen ist ja so eine Sache. Viele Betroffene wissen es vielleicht schon früh, wollen es sich aber vielleicht nicht eingestehen aus Angst vor den Reaktionen von Familie, Freunden und so weiter. In meinem Fall habe ich mir so mit etwa 20 – schätze ich – eingestanden, dass meine bis dahin vergeblichen Versuche, eine Freundin zu finden, wohl nicht daran liegen, dass ich mich zu dumm anstellte. Und komischerweise klappte es dann „auf der anderen Seite“ in sehr kurzer Zeit, ab da war es mir dann unmissverständlich klar.

Gameswelt: Die Spiele-Branche, allen voran Online-Communitys, gilt als relativ intolerant gegenüber Homosexualität. Ähnlich wie beim Fußball sind das Geschlecht sowie die sexuelle Orientierung eher kein Gesprächsthema. Wie hast du die Community erlebt?

Sebastian: Ich glaube, dass sich in Online-Communitys generell eher Leute mit extremen Meinungen zu Wort melden, entweder in die positive Richtung des Themas oder in die negative. Das sieht man ja bei allen Diskussionen um Testwertungen oder Ähnliches. Das Gleiche trifft schließlich auch auf die Frage nach der sexuellen Orientierung zu. Nach dem Hitzlsperger-Outing meldeten sich in den verschiedensten Kommentarbereichen natürlich immer wieder diejenigen, die mit fadenscheinigen Argumenten versuchten darzulegen, warum Homosexualität den Untergang des Abendlandes einläuten müsse. Auf der anderen Seite tummeln sich in solchen Communitys aber auch genug liberal eingestellte User oder vielleicht sogar selbst Betroffene, die sich aber nicht unbedingt zu Wort melden. Ich für meinen Teil mische mich in solche Diskussionen in der Regel einfach nicht ein, sondern ignoriere die Ewiggestrigen mit ihren Scheuklappenkommentaren einfach. Aber abgesehen von den angesprochenen Kommentaren, die wie gesagt auch zu anderen Themen oftmals sehr unsachlich in den Raum geworfen werden, hatte ich so weit noch keine Probleme in irgendwelchen Communitys. Allerdings klebe ich mir auch nicht direkt ein Schild auf die virtuelle Stirn, um mich zu outen – so, wie ich es auch im realen Leben handhabe.

Gameswelt: Hast du Probleme beruflicher Natur durch deine sexuelle Orientierung gehabt? Wenn ja: Was ist passiert und wie bist du mit diesen Problemen oder Nachteilen umgegangen?

Sebastian: Bisher nicht. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich, wie oben schon erwähnt, auch nicht ständig herumposaune, dass ich homosexuell bin. Gerade im beruflichen Bereich ist das auch eigentlich unnötig, da es hier um Qualifikationen gehen sollte und nicht darum, was jemand in seinem Privatleben macht. In meiner Zeit bei PC Games wusste es keiner meiner Kollegen (und auch heute wissen es vermutlich nur ein paar wenige von ihnen), was aber schließlich daran lag, dass dies die Zeit war, in der ich mich überhaupt erst entschied, mich zu outen. Und da war der Schritt, die Familie einzuweihen, zunächst „wichtiger“ und schwierig genug. Später, als ich zu Kalypso Media wechselte, spielte ich direkt mit offenen Karten und es wusste jeder vom ersten Tag an, was Sache ist. Probleme gab es da absolut keine.

Gameswelt: Wie siehst du das Thema Homosexualität in Videospielen vertreten? Dort treffen wir in Verbindung mit homosexuellen oder Transgender-Charakteren oft auf alte Stereotype wie Schwäche oder extreme Verweiblichung.

Sebastian: Die Frage gibt die Antwort ja schon. In den Fällen, in denen ich mich an homosexuelle Charaktere in Spielen erinnern kann, waren diese entsprechend klischeehaft entworfen (zum Beispiel Gay Tony in GTA IV). Dieses „Problem“ trifft aber ja nicht nur Spiele, auch in vielen Filmen oder TV-Serien werden homosexuelle Charaktere entsprechend dargestellt. Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen, dass etliche Charaktere in Spielen überhaupt nicht sexuell definiert sind. Ein Soldat in Call of Duty hat selten eine so ausgearbeitete Hintergrundgeschichte, dass der Spieler erfährt, dass er Frau, Kinder, Hund und ein kleines Reihenhäuschen in der Heimat hat. Im Grunde könnte also jeder dort auch einen homosexuellen Helden hineinprojizieren.

Dass homosexuelle Charaktere in Spielen und anderen Medien entsprechend überspitzt dargestellt werden, liegt vermutlich zum einen daran, dass es eben auch genug Homosexuelle gibt, die diese Überspitztheit tatsächlich ausleben. Zum anderen jedoch ist es so einfach für den Zuschauer/Spieler zu erkennen, dass es sich hier eben nicht um einen „normalen“ Kerl handelt, sondern um einen schwulen Charakter. Würde man die Klischees streichen, bliebe ja faktisch ein normaler Mann oder eine normale Frau übrig, was die Abgrenzung zwischen Hetero- und Homosexualität auf den ersten Blick schwer machen würde. Ob man das nun gut finden will oder nicht, das muss jeder für sich entscheiden. Ich persönlich habe allerdings (bisher) kein Problem damit, sondern amüsiere mich oftmals eher darüber, welche Vorstellungen mancher Spielentwickler von Homosexuellen hat beziehungsweise wie sehr manche davon vielleicht ins Schwarze treffen.

Gameswelt: Inwiefern, glaubst du, muss und soll sich eine Spiele-Community mit der Sexualität anderer Spieler beschäftigen – auch in Spielen?

Sebastian: Ich weiß nicht, ob sich eine Community mit der Sexualität der Spieler direkt beschäftigen muss. Das ist eigentlich ja jedermanns Privatsache und es sollte für keinen eine Rolle spielen, ob ein Spieler nun auf Frauen oder Männer steht beziehungsweise eine Spielerin eben auf Männer oder Frauen. Faktisch macht es keinen Unterschied für das, weshalb man sich in solchen Communitys trifft: das Spielen. Wichtiger wäre dagegen, dass die Entwickler, Admins oder was auch immer darauf achten, dass respektvoll miteinander umgegangen wird, und entsprechend eingreifen, wenn auffällt, dass ein Spieler oder eine Spielerin aufgrund der sexuellen Orientierung angegangen wird.

Ebenso könnten natürlich Entwickler dazu beitragen, das Thema Homosexualität in ihren Spielen zu thematisieren und Aufklärungsarbeit zu leisten.

Gameswelt: Hast du über die vergangenen Jahre eine Veränderung der Menschen, was ihre Reaktion in Bezug auf deine Position in Sachen Sexualität und Videospiele angeht, bemerkt?

Sebastian: Was mir in den vergangenen Jahren auffällt, ist, dass vor allem Jugendliche sich in Kommentaren oftmals sehr viel liberaler zeigen, als es ältere User tun. Für viele Jugendliche scheint es absolut egal zu sein, welche sexuelle Orientierung jemand hat. Ob das auf den Schulhöfen auch gilt, das wage ich aber erst mal zu bezweifeln. Doch auch generell ist das Feedback auf das Thema Homosexualität gefühlt positiver geworden, was daran liegen mag, dass das Thema häufiger in den Medien auftaucht und die Gleichstellung weiter voranschreitet. Dadurch scheinen sich die Menschen stärker damit zu befassen und legen so ihre „Scheu“ eher ab. Im Bereich der Videospiele, und ich meine nicht die Communitys, sondern die Spiele selbst, sehe ich allerdings wenig Veränderung, da auch heute eher wenige bis keine homosexuellen Charaktere auftauchen – was ich aber auch nicht für nötig halte.

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