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Special - Videospiele in der Therapie : Videospiele als Medizin?

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GW: Ist es denn so, dass junge Patienten eine niedrigere Hemmschwelle haben, Videospiele als Form der Therapie zu akzeptieren?

TE: Das kann man so sagen. Aber es ist erstaunlich: Wenn man einen älteren, sogar sehr viel älteren Menschen an ein gut zugängliches Videospiel begleitend heranführt, dann ist dieser genauso begeistert wie die jungen. Dem macht das dann auch mehr Spaß, als zum Beispiel ein Solitaire zu legen. Wir staunen, wie ältere Personen das neue Medium entdecken und sehr vernünftig damit umgehen.

GW: Was für konventionelle Spiele setzen Sie als Alternative zu Videospielen ein?

TE: Zum Beispiel Peg Solitaire, das ist ein Solitaire mit Kügelchen für die Feinmotorik. Ebenfalls für die Verbesserung der Feinmotorik ist Rummycube geeignet. Für räumlich-konstruktives Denken verwenden wir häufig Tangram. Für das Frontalhirn gibt es eine ganze Reihe an logischen Denkspielen zum Trainieren der mentalen Flexibilität. Es gibt außerdem Spiele, die speziell für die Therapie entworfen wurden. Nach wie vor brauchen wir das klassische Memory, das immer noch fantastisch ist für Gedächtnistraining. Damit trainieren wir das räumliche und das verbale Gedächtnis gleichzeitig in einem Schritt. Memory ist beispielsweise für Patienten mit einem Schädeltrauma und daraus folgenden Sprach- und Gedächtnisstörungen ein super Spiel. Man muss sich merken, wo die Karte liegt, was darauf abgebildet ist und wie das abgebildete Ding heißt.


Dr. Kawashima: Mehr Gehirn-Jogging

GW: Sind solche konventionellen Spiele, aber ebenso Videospiele für die Prävention geeignet? Anders gefragt: Kann man mit dem Zocken von Videospielen kommende Gehirnerkrankungen abmildern?

TE: Ja. In diese Richtung geht die Empfehlung, die ich in Zusammenarbeit mit den Gehirn-Jogging-Spielen von Nintendo für die Öffentlichkeit kommuniziere.  Man kann solche Programme für eine gewisse Prophylaxe nutzen. Das funktioniert so: Jegliche Gehirn-, Lern-, und Gedächtnisaktivität führt zu neuen Netzwerken von Nervenzellen und zu einer Neubildung von nervlichen Synapsen im Gehirn. Das heißt: Bei täglichem Gedächtnistraining verdichten sich die Nervennetzwerke des Gehirns. Wenn es später zu einer Erkrankung mit Absterben von Nervenzellen im Gehirn, wie der Alzheimererkrankung, kommen sollte, stehen dichtere Nervennetzwerke zur Verfügung. Trotz des Nervenzellabbaus verbleiben Reserven, und damit besteht die Chance, dass der mental-geistige Leistungsverlust langsamer vonstattengeht.

GW: Das hat aber nicht nur mit Spielen oder Gedächtnistraining, sondern allgemein mit Gehirnaktivitäten zu tun, nicht wahr?

TE: Das ist absolut richtig. Leute mit einem höheren Ausbildungsstand und aktivem Berufsleben, also mit einer eher großen und anhaltenden Gehirnaktivität, sind jedoch ebenfalls nicht gefeilt vor Alzheimer oder anderen Gehirnerkrankungen. Aber sie erleben oftmals einen moderateren Krankheitsverlauf. Ihre kognitiven Fähigkeiten bleiben dann länger erhalten als bei Leuten mit einfacheren lebensgeschichtlichen, schulischen und beruflichen Möglichkeiten. Je aktiver man sich also geistig hält, desto dichter ist das Nervennetzwerk und umso mehr bestehen Reserven, wenn etwas passiert. Das gilt auch bei einem Schlaganfall oder einem Schädel-Hirn-Trauma. Geistig aktiv zu sein, lohnt sich deshalb in jeder Lebensphase. Wegen sozialer Gründe und weil der Beruf wegfällt, kann im Alter die geistige Aktivität abrupt abnehmen. Gerade dann zahlt sich der Einsatz solcher Videospiele für ältere Menschen ganz besonders aus.

GW: Wie sieht ihre Zusammenarbeit mit Nintendo aus?

TE: Ich mache keine Werbung für Nintendo, ich bin nicht von dem Unternehmen angestellt. Ich habe Nintendo für therapeutische Zwecke entdeckt. Das war ein Zufall. Über die Bekanntschaft mit dem Nintendo-Schweiz-Inhaber habe ich einen Prototyp der Gehirn-Jogging-Software gesehen, die Nintendo-Mitarbeiter auf einem Flughafen gespielt haben. Als ich das dort gesehen habe, wusste ich: Das muss ich haben. So bin ich so etwas wie ein Ambassador, also ein beratender Experte, für die Gehirn-Jogging-Spiele geworden. Es ist im Prinzip eine Win-Win-Situation: Nintendo stellt mir die Programme und die Infrastruktur zur Verfügung und ich biete ihnen eine Plattform zur Kommunikation über den sinnvollen Einsatz dieser Spiele im medizinischen Bereich.

GW: Geht Nintendo mittlerweile aktiv auf Krankenhäuser und Reha-Zentren zu?

TE: Das tut Nintendo in der Schweiz nicht. Die Mitarbeiter sind sehr kritisch und zurückhaltend. Das ist das, was mich an Nintendo Schweiz beeindruckt. Und deshalb funktioniert die Zusammenarbeit auch so gut. Sie vermarkten nichts, von dem sie keine gut belegten Daten in der Hand haben. Die Videospiele von Nintendo sind ja nicht für den Einsatz im medizinischen Bereich gemacht worden. Nintendo hat von sich aus keine Intentionen, diese Spiele in der Medizin einzusetzen. Die Firma nimmt es dankend an, wenn die Programme so verwendet werden, man sieht aber nie eine Nintendo-Werbung im Medizinbereich. Die Aktivitäten in diesem Bereich kommen von mir.

GW: Vielen Dank für das Interview.

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