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Test - Saints Row : Test: Der geknebelte Wahnsinn

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Grand Theft Auto war noch nie ein Produkt für Feingeister, aber im Vergleich zu Volitions Gegenstück immer ein stilvoller Ausflug in die Welt des organisierten Verbrechens. Saints Rows Versuch, gegenüber dem übermächtigen Konkurrenten Kontrast zu schaffen, bestand nach Teil 2 aus maßloser Übertreibung und zügellosen Tabubrüchen. Ein Rezept, das sich nach dem großen Finale nicht mehr steigern ließ, darum schraubt Volition für das Reboot alle Ambitionen etwas zurück. Reicht es dennoch für das altbewährte, sorglose Open-World-Chaos?

Was hätte nach Aliens, der Hölle, nach Riesen-Dildos, Superkräften und einer vernichteten Erde noch kommen sollen? Nicht einmal Volition kennt darauf eine Antwort, darum war es eine gute Idee, den abgehobenen Wahnsinn hinter Saints Row wieder auf den Teppich zu bringen. Seit den ersten Vorschau-Gelegenheiten war klar, dass sich das Reboot der Reihe auf ähnlichen Pfaden bewegt wie einst der dritte Teil. Vom Fantastischen geht es zurück zum Bodenständigen.

Von Ernst fehlt trotzdem weiterhin jede Spur, denn Saints Row war schon immer mehr Comic-Strip als Abbild realer Vorgänge. Hier stellte sich nie die Frage, ob man auf moralischer Ebene womöglich zu weit ginge, sondern ab welcher Größenordnung ein Tabubruch hirnverbrannt genug sein kann, damit er ins Komische abdriftet.

Zweifel am Erreichen dieses Erzählschemas beseitigt Volition ab der ersten spielbaren Mission des Reboots. Nach dem Anlegen einer Hauptfigur im wahrscheinlich ausführlichsten Charakter-Editor aller Zeiten steuert ihr eben diese durch eine Westernstadt-Kulisse, die sich in ein Kriegsgebiet verwandelt hat, mit dem Auftrag, einen Terroristen im Namen einer Söldner-Organisation abzufangen. Spätestens wenn das Unterfangen im physisch unmöglichen Ritt auf einem Düsenjäger endet, rechnet niemand mehr mit seriösen Motiven.

Alles für den Zaster

Dummerweise wird eure Hauptfigur für den Düsenjet-Ritt nicht entlohnt. Somit fehlt Geld für den Studenten-Kredit, während keine der drei Mitbewohner bei der Miete mithelfen kann. Darum ziehen die vier Mitglieder der Wohngemeinschaft zum nächstbesten Kredithai ihres Heimatorts Santo Ileso und berauben ihn. Nicht gerade ein Kavaliersdelikt, aber die Flucht vor der Polizei glückt so spektakulär (um nicht zu sagen schwachsinnig), dass die vier weiteren kleinen Gaunereien nicht abgeneigt sind. Eure Hauptfigur steigt zum Boss einer kleinen Bande auf.

Richtig ernst mit dem Verbrecherklan wird es aber erst, als ein weiterer Auftrag für die Privatarmee schiefgeht. Alles läuft dermaßen arg aus dem Ruder, dass euer Boss nicht nur aus der Armee verstoßen wird, obendrein halsen sich die vier Hauptdarsteller den Unmut sämtlicher Verbrecher-Clans der Stadt auf den Hals.

In einer Stadt wie Santo Ileso ist das kein Zuckerschlecken. Das fiktive Gegenstück zu Las Vegas beheimatet so viele Gangster, dass die Wahrscheinlichkeit, bei einem kleinen Straßendelikt auf ein Clanmitglied zu stoßen, erheblich höher ist als eine Begegnung mit der Polizei. Da Aufgeben aber keine Option darstellt, beschließen die vier eine Flucht nach vorne. Sie beschaffen sich ein Hauptquartier in einer Kirche und gründen einen eigenen Clan. Ihr Name: die Saints.

So schwachsinnig der Bogen von der fehlenden Miete zum Verbrechersyndikat auch sein mag, er wird witzig erzählt und verschafft euch eine unterhaltsame Einführung in die Stadt Santo Ileso, welche die größte offene Welt der Serie darstellt. Im Vergleich mit GTA V ist das Stadtgebiet mit seiner angrenzenden Wüste zwar überschaubar, aber an Bewegungsfreiheit mangelt es sicher nicht. Lediglich bei der Strafverfolgung zeigt das Areal Konsequenzen, denn selbst bei steigendem Wanted-Level zieht die Polizei zahlenmäßig kaum Kräfte zusammen und selbst wenn, lässt sie sich innerhalb von geschätzten zwei Minuten mühelos abhängen. Das mag nicht sonderlich realistisch sein, stellt sich aber als angenehm heraus. Santo Ileso entpuppt sich dadurch als großer Spielplatz voller zerstörbarer Objekte, in dem man der ungezügelten Anarchie freien Lauf lassen kann. Wer Chaos veranstalten möchte, findet hier genug Gelegenheit dafür.

Grundsätzlich macht Volition für den Reboot der Serie vieles richtig. Das Setting ist stimmungsvoll, weil farbenfroh und belebt, die vier Hauptdarsteller haben allesamt ihre charakterlichen Vorzüge und die Einleitung ins Verbrecherleben schafft ordentlich Stimmung. Das Problem ist nur, dass die Qualität der einzelnen Missionen krass schwankt, sobald die Saints beginnen, sich das Stadtgebiet unter den Nagel zu reißen.

Gelegenheit macht Diebe

Ein Stadtplan in der alten Kirche zeigt diverse Grundstücke, die euer Klan in beliebiger Reihenfolge kaufen und zu getarnten Zentralen für illegale Machenschaften umfunktionieren kann. Mal kauft ihr ein Transportunternehmen, das Giftmüll illegal entsorgt, mal liefert ihr im Stil von Breaking Bad Drogen über eine Fast-Food-Kette oder ihr jubelt einer Versicherung Körperverletzungsklagen unter, die ihr in spektakulären Selbstverstümmelungs-Manövern selbst verursacht. Rund die Hälfte aller Kaufobjekte müsst ihr erwerben, bevor ihr die Kampagne beenden könnt.

Schwankender Unterhaltungswert bei den Missionen wäre kein Problem, wenn die am wenigsten spaßigen nicht diejenigen darstellten, die am meisten wiederholt werden müssten. Siehe etwa der Giftmüll-Transport, der nicht mehr auf die Reihe bringt als eine „Fahre so schnell es geht von A nach B“-Mission, bei welcher der komplette Straßenverkehr aus unerfindlichen Gründen beginnt, sinnlose Auffahrunfälle zu verursachen, damit die Aufgabe möglichst schwer ausfällt. Generell krankt Saints Row ein wenig an fehlender Abwechslung im Missionsdesign. Es mag zwar spaßig sein, eine Handvoll Casinos per Hubschrauber auszurauben oder mit einem Jetski quer über den Fluss zu brettern, aber letztendlich sind auch das nur Liefermissionen von A nach B. Viel ungewollter Leerlauf, den auch eine Online-Koop-Modus nicht überspielen kann.

Erfreuliche Ausnahmen bestätigen die Regel. Gut gelacht haben wir beispielsweise beim Erfüllen von Live-Action-Rollenspiel-Aufgaben für den Nerd unserer Verbrecherbande. Nicht unbedingt aufgrund der Aufgabenstellung an sich, sondern weil sämtliche Aktionen nur vorgetäuscht werden. Selbst das Verprügeln von Widersachern ist reines „so tun als ob“ in einer Gruppe von Hobby-Kriegern, die sich Burgen und Rüstungen aus Pappe und Klebeband basteln. Ein paar Seitenhiebe auf Fallout und Co inklusive.

Unerwartete Highlights gibt es in Saints Row also durchaus, und der Grad ihrer Blödsinnigkeit hat genug Unterhaltungswert. Schade nur, dass diese Ausnahmen recht vereinzelt vorkommen und im Vergleich mit dem Rest des Spiels eine zu kurze Lebensdauer haben. Erheblich öfter enden Missionen in einem standardmäßigen Shoot-out mit einer rivalisierenden Gang. Wobei das Wort „endlos“ kaum einer Übertreibung entspricht. Euer Boss und seine drei Helfer ballern minutenlang Welle um Welle um Welle über den Haufen, sodass man sich fragt, ob Santo Ileso überhaupt noch normale friedvolle Bürger hat.

Gunplay: besser als GTA

An diesem Punkt scheiden sich die Geister bei der anvisierten Zielgruppe, wenn es um den Unterhaltungswert des Reboots geht. So oft das Gunplay strapaziert werden mag, lässt es doch kaum Wünsche offen. Reaktionsschnell, mit guter KI bei den Gegnern und witzigen Kampfeinlagen, die der Abwechslung dienen, da euer Boss im Laufe des Spiels Spezialmanöver für den Nahkampf lernt. Nichts ist unterhaltsamer, als einem Halunken, der zu nahe kommt, eine Granate in die Unterhose zu stecken.

Das Auslegen von Rauchbomben und weitere Spezialmanöver lassen sich auf vier Shortcuts zuweisen, können aber nicht beliebig oft verwendet werden. So wie das Zurückgewinnen von Lebensenergie durch Finishing-Moves, muss man sich diese Sonderattacken erst durch das Erledigen einer Reihe Widersacher verdienen. Auf diese Weise hält Saints Row in seinen Kampfsequenzen eine ordentliche Balance zwischen strategischem Ballern und witzigen Sonderaktionen. Mit etlichen explosiven Objekten in der offenen Welt und mitunter irrsinnigen Flucht- sowie Anfahrtsmöglichkeiten (beispielsweise durch die Luft segeln per Wingsuit) könnten die Rahmenbedingungen für Actionsequenzen kaum besser sein.

Wer auch in GTA am liebsten ballert, wird keinen Grund zur Beschwerde finden. Im Gegenteil, das Gunplay ist weitaus unterhaltsamer als beim großen Vorbild. Was aber nach wie vor fehlt, ist Fantasie beim Inhalt der Missionen und genau das dürfte die andere Hälfte der Zielgruppe abschrecken. Das Gefühl, dass die selbst auferlegte Beschränkung hirnverbrannter Tabubrüche im Vergleich zu Teil 4 die Entfaltung des typischen Saints Row-Chaos hemmt, lässt sich leider nicht abstreiten.

Wie ein Pudel an der Leine

Saints Row fühlt sich in all seiner Gestaltung sehr konservativ an, als ob es sich selbst knebeln und zurückhalten würde. Es möchte frech sein, es möchte die zähnefletschenden Hunde des Sandbox-Wahnsinns entfesseln, hat aber letztendlich nur ein paar zahme Pudel auf Lager. Warum das so ist, können wir nicht abschätzen, aber es spiegelt sich in allen Facetten des Spiels wider.

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So ist die offene Welt von Santo Ileso durchaus sehenswert. Per Raytracing errechnete Detailschatten, schöne Sichtweite, knallige Farben, heftige Neonlichter und volumetrische Effekte wie etwa Sandstürme? Ja, da steckt technische Raffinesse dahinter. Dummerweise zerstört das Spiel seinen schönen Gesamteindruck regelmäßig durch heftige Pop-ins, die sowohl die Fauna betreffen als auch Schattenkaskaden, die bei Autofahrten buchstäblich vor der Nase auftauchen. In einer offenen Sandbox-Welt sind grafische Einschnitte unvermeidlich, aber derart heftig dürfen sie heutzutage nicht mehr ausfallen.

Saints Row - Neuer Trailer verrät euch was zur Story des Spiels

Kurz vor dem Launch von Saints Row am 23. August gibt es noch einen Trailer, der euch ein wenig mehr über die Story und Hintergründe des Spiels verrät.

Ähnliches lässt sich über die Musik sagen. So wie bei GTA darf man beim Einstieg in ein Auto beliebig zwischen mehreren Radiosendern durchschalten, wobei ein spezieller Modus verhindert, dass Streamer Copyright-Klagen von YouTube und Twitch fürchten müssen. Die Frage ist nur, ob Streamer dabei etwas verpassen. Fast das gesamte Musikmaterial besteht aus düdeligen C-Tracks ohne nennenswerten Unterhaltungswert. Genau wie bei der Grafik prallen Anspruch und Umsetzung unsanft aufeinander.

Von den zahllosen Bugs, die einige Abschnitte der PC-Version während unserer Vorab-Testphase beinahe unspielbar machten, sei an dieser Stelle keine Rede, denn wir rechnen mit einer großen Patch-Welle. Sie sind lediglich das letzte Puzzleteil in unserer Beweisaufnahme, die besagt, dass sich Volition womöglich zu viel vorgenommen hat. Saints Row hätte etwas mehr Entwicklungszeit gut gestanden.

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