Länderauswahl:
Du wurdest von unserer Mobile-Seite hierher weitergeleitet.

Test - Oddworld: Soulstorm : Zwischen Lust und Frust

  • PC
  • PS5
  • PS4
Von  |  |  | Kommentieren

Ein Hurra auf PS-Plus: Den Knobel-Plattformer Oddworld: Soulstorm gibt es auf PS5 frei Haus, wenn ihr Sonys Online-Service in Anspruch nehmt. Ein geschenkter Gaul, der leider ein wenig Fußlahm daherkommt. Lust und Frust lagen in dieser Serie schon immer nah beieinander, nur hängt es dieses Mal nicht allein am kniffligen Spieldesign.

Die Abenteuer des Mudokon Abe waren seit jeher grobe Kost. Etwas für Leute, denen es nichts ausmacht, wenn ihr Morgen-Müsli wegen ein paar Muttern und Schrauben heftiger knuspert. Da beißt man sich eben durch. Solange man erkennt, wo das Problem liegt, ist alles halb so wild. Den Rest richten Geduld und Geschick.

Oddworld: Soulstorm schert sich ebenso wenig um seinen Ruf bei Casual-Gamern. Es will hart sein, will dort Glasscherben verstreuen, wo andere Plattform-Spiele den roten Teppich ausrollen. Oddworld als Puzzle-Plattformer zu bezeichnen, ist nämlich nur die halbe Wahrheit. Der Denkapparat muss an manchen Stellen durchaus ein paar Extrarunden schleudern, aber in den meisten Fällen erkennt man innerhalb von dreißig Sekunden, wie man eine Aufgabe löst. Die nächsten fünf bis zehn Minuten bestehen dann aus etlichen Fehlschlägen bei der Ausführung und Neustarts am letzten Speicherpunkt. Wie sang Jimmy Cliff so schön: You can get it if you really want, but you must try, try and try. You’ll succeed at last.

Ganz schön altmodisch. Sollten geringes Alter oder mangelnde Erfahrung im Weg stehen, dann könnte der spielerische Ausflug in die späten 90er einige Neulinge frustrieren. Trial and Error ohne Gnade kommt zwar wieder in Mode, ist aber noch immer eine Seltenheit. In dieser Härte findet man das wahrscheinlich nur in Souls-like- und Rogue-like-Vertretern oder den 2D- und 3D-Erben von Super Meat Boy (siehe beispielsweise Ghostrunner). Dabei wirkt das Spielgeschehen auf den ersten Blick so einfach.

Eine Aufgabe, viele Variationen

Typischerweise läuft Abe innerhalb eines Szenarios von links nach rechts durch eine düster-dystopische Umgebung, die in einer 2,5-D-Ansicht präsentiert wird. Die Grafik ist also dreidimensional, während die Spielrichtung nur seitwärts verläuft. In der Regel wird der schüchterne Held innerhalb eines Konstrukts aus verschachtelten Plattform-Gängen von mordlustigen Gegnern aufgehalten. Meist von Sligs – buckligen Schergen mit einem ekelhaften Tentakel-Mund, die nicht lange fackeln, wenn sie unseren Helden vor die Kimme ihres Maschinengewehrs bekommen. Ihren Kugeln entgeht er nur durch List.

Er kann sich beispielsweise vorbeischleichen, wenn sie gerade in eine andere Richtung schauen. Klappt aber selten, wenn mehrere Sligs zugleich Wache halten. In dem Fall muss Abe aggressiver vorgehen. Etwa durch das Werfen entflammbarer Flüssigkeit, das Auslegen von Betäubungsminen oder den Einsatz seiner spirituellen Kräfte. Letztere erlauben ihm, den Geist eines Gegners zu steuern und dadurch dessen Handeln zu bestimmen. So bringt er einen Slig beispielsweise dazu, seinen Kollegen über den Haufen zu schießen. Zumindest, sofern kein Geist-Unterdrücker in der Nähe schwebt, der Abes Kräfte limitiert.

Auf seine Basis heruntergekocht, stellt Oddworld also immer dieselbe Aufgabe, nur in anderer Variation: Wie komme ich unbeschadet zum Ausgang der Szene? Abwandlungen kommen durch neue Gegner, fiesere Fallen oder schlicht längere Passagen ohne Speicherpunkt zustande. Oder durch all das auf einmal, was besonders dann ärgerlich ist, wenn Widersacher schier unmenschliche Präzision an den Tag legen. Etwa wenn sie aus der Ferne mit Laser-Arretierung zielen, wenn sie Sprengkörper aus dem Off in die Szene schleudern oder wenn nur noch Reflexe im Millisekunden-Bereich die Haut des Helden retten. Doppelsprünge müssen genauso sitzen wie das Entschärfen von Minen, die dafür nur Sekundenbruchteile Zeit lassen. Fernseher mit hoher Latenz sind hier echte Spielverderber.

Oddworld: Soulstorm zu spielen, gleicht in vielerlei Hinsicht dem Versuch, ein Streichholz-Modell zu entflammen. Nur wenn man es am richtigen Ende anzündet, fällt es nicht gleich zusammen. Das ist mehr als eine Metapher, wenn man bedenkt, dass einige Plattformkonstruktionen des Spiels entflammbar sind und dank einer aufwändigen Physikberechnung einstürzen, sobald sie aufgrund eines Feuers brüchig werden. Was nicht nur eine prima Methode zur Gegnerbeseitigung darstellt, sondern auch eine Methode, sich selbst den Weg zu versperren – etwa zu geheimen Abschnitten mit Bonusobjekten, die Abes Lebenskraft steigern.

Der Weg in die Freiheit kostet Nerven

Um Abe allein geht es allerdings nicht. Tausende seiner grünhäutigen Mudokon-Kumpels, die wie er einst Sklaven der bösen Glukkons waren, suchen zur gleichen Zeit den Weg in die Freiheit. Abe wurde von der Gruppe getrennt. Er flieht auf einem parallelen Pfad Richtung Freiheit und kreuzt derweil immer wieder an Orten auf, an denen er seinen Leuten helfen kann. Etwa indem er Tore öffnet, oder verhindert, dass Sligs hinterhältig Hunderte wehrlose Mudokon abschießen. Einige von ihnen kann er sogar anweisen, Arbeitsschritte für den Lösungsweg eines Puzzles auszuführen. Je besser das gelingt, desto höher die Wertung für einen Abschnitt, die in Medaillen bemessen wird. Gold und Platin winken nur bei perfekten Manövern.

Wer Oddworld voll auskosten möchte, sollte sich also mit dem Gedanken abfinden, ab Level 3 jeden Abschnitt mindestens dreimal anzugehen. Einmal zum Analysieren, einmal zum Experimentieren und einmal zum Perfektionieren. Dazwischen fallen etliche Fehlversuche durch mangelndes Geschick oder schlechtes Timing.

Neustarts gehören zum Alltag, stören auf der PS5 jedoch nicht halb so sehr wie auf dem Vorgängermodell, da Ladezeiten auf der jüngsten Konsolengeneration angenehm kurz ausfallen. Auf der PS4 muss man dagegen einen deutlich reißfesteren Geduldsfaden mitbringen. Womöglich ein Grund, sich besser anzustrengen.

Nun, wäre das der einzige Grund zum Unken, so würde dieser Test recht positiv ausfallen. Oddworld: Soulstorm ist zwar aufgrund seiner pingeligen Geschicklichkeitsanforderungen anstrengend und sicherlich nichts für Ungeduldige, aber auch belohnend, wenn man Erfolge verbucht. Das Gefühl, etwas vollbracht zu haben, steigt parallel zum Schwierigkeitsgrad.

Optisch macht das Spiel ebenfalls einiges her. Die ersten zwei Level wirken zwar etwas trist, aber ab Level drei dreht die Gestaltung in allen Belangen auf. Hintergründe werden komplexer, die Beleuchtung mitsamt Effekten wie Rauch und Nebel immer dichter und das Szenario packender. Wahrscheinlich ist der Zeitpunkt kein Zufall, denn auch spielerisch kommt Abes Abenteuer erst ab dem dritten Level in Fahrt, weil man verletzte Kollegen wieder aufpäppelt und sie zur Lösung diverser Puzzles herumdirigiert. Für Unity-Entwickler dürfte Oddworld: Soulstorm zukünftig ein Referenzspiel sein, zeigt es doch, dass die oftmals unterschätzte Engine grafisch einiges auf dem Kasten hat.

Wo der Feinschliff fehlt

Leider offenbart das Spiel aber auch einige Schwächen, die sowohl auf das Konto der Designer gehen, als auch durch die Unity-Engine verursacht werden, wenn auch nur indirekt. Sie sind so gravierend, dass einem mitunter der Spielspaß vergeht, völlig gleich, wie gut der Spielablauf theoretisch konstruiert wurde.

Allem voran treten immer wieder Bugs zutage. Ein paar von ihnen sollen angeblich durch den ersten Patch behoben worden sein. Dem müssen wir leider widersprechen. Immer noch findet man unsichtbare Collider, die alle erdenklichen Fehler im Spielablauf provozieren. Mal laufen Gegner wie auch der Held gegen eine unsichtbare Wand, mal lassen sich Gegner während Abes Geist-Kontrolle nicht mehr steuern, oder laufen selbsttätig in eine Richtung, bis sie auf ein Hindernis treffen (wodurch mitunter ein Neustart fällig wird).

Noch ärgerlicher ist allerdings, wenn Gegner nach einem Neustart eines Szenarios an anderer Stelle spawnen – und zwar so, dass es schwer bis unmöglich ist, unbeschadet an ihnen vorbeizukommen. Da passiert zum Beispiel hin und wieder, wenn man einen Widersacher kontrolliert und ihn dazu bringt, einen seiner Kollegen abzuschießen, der auf einem Turm steht. Fällt sein Kollege dabei auf eine tiefere Ebene, so startet er bei einem Neustart mitunter dort, wo er beim Versuch davor hingefallen ist. Das ist nicht immer ein Problem, aber manchmal ist es daraufhin unmöglich, Abe in Sichtweite zu bekommen. Oder umgekehrt, Abe landet sofort beim Neustart in dessen Sichtkegel und wird abgeknallt, bevor er einen sicheren Ort erreichen kann. Im schlimmsten Fall mündet das in einer Neustart-Endlosschleife.

Spaß und Frust sind ganz nah beisammen - Zocksession zu Oddworld: Soulstorm

Felix und Pirmin zocken das neue Oddworld: Soulstorm auf der PS5. Hier ist Spaß und Frust ganz nah beisammen!

Sofern die Entwickler des Studios Oddworld Inhabitants jeden einzelnen dieser Schwachpunkte ausfindig machen, könnten Patches Abhilfe schaffen. Schwieriger wird es da mit einigen allgemeinen Schwächen, die auf der Physik fußen. Siehe etwa das Problem mit den Wasserflaschen. Sie ermögliche Abe, brennende Flure zu löschen, die andernfalls unpassierbar wären. Tolle Sache, gäbe es da nicht das Ärgernis der unberechenbaren Wasserverteilung. Sobald eine Flasche auf dem Boden zerplatzt, springen Wassertropfen heraus und löschen jene brennenden Bereiche, auf die sie fallen. Die Verteilung ist aber nicht gleichmäßig, sodass immer wieder mal Flächen weiterbrennen, für die man eine oder sogar zwei weitere Flaschen opfern muss. Ganz schön übel, wenn es um begrenzte Ressourcen geht. Zumal dies nicht das einzige physikbasierte Werkzeug ist und man die teils arg begrenzten Zutaten mitunter für das Craften neuer Hilfsmittel benötigt. Selbst wenn man sämtliche Krüge und Kisten plündert, die man unterwegs findet, kommen einige unnötige Neustarts aufgrund des Ressourcenmanagements zustande.

Oder wegen ungenau ausgearbeiteter Reichweiten. In einem vermeintlich geschützten Bereich sterben, weil der Brandbereich eines explodierendes Katapultgeschosses weiter reicht als vorgesehen? Kann passieren! Geschieht nicht ständig, aber kam in unseren Testläufen mehrfach vor. Diese und weitere kleine Macken sind Angelegenheiten des Feinschliffs. Feinschliff, den Oddworld: Soulstorm an vielen Baustellen nötig hat.

Könnte dichinteressieren

Kommentarezum Artikel