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Test - Wii Music : Infantile Ohrenqualen

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Das Genre der "Nachspielen von Musikstücken mithilfe möglichst echt wirkender Controller"-Spiele ist anscheinend am Höhepunkt angelangt. Der alte PC-Klassiker Quest for Fame beschränkte sich noch mit einem schlichten Plektrum, Harmonix Rock Band hingegen packt Gitarre, Mikrofon und Drums zu einem Set. Nintendo möchte noch viel mehr mit Wii Music erreichen und sieht ihre Wiimote als universelles Werkzeug für das Genre an.

Extrem Zielgruppen orientiert

Alle ernsthaften Zocker, die Guitar Hero und Rock Band zu ihren Lieblingsspielen zählen, sollten am besten gar nicht weiterlesen: Wii Music ist nichts für euch. Alle Väter sowie Mütter, die ihren Kleinen ein experimentelles Musikprogramm mit lustiger Grafik und verspieltem Sound schenken möchte, müssen hingegen durchhalten. Denn nur dann verstehen sie vielleicht, warum von unserer Seite auch für sie keine Kaufempfehlung für Wii Music rausspringt.

Schon im Ansatz unterscheidet sich Nintendos Programm von seinen Genre-Kollegen: Hier geht es nicht um das akkurate Nachspielen eines Musikstückes, sodass es möglichst "echt" klingt. Der Spieler wählt zunächst einen Song aus und anschließend eines von bis zu sechs Instrumenten, die zur Erzeugung der Musik benötigt werden. Die anderen fünf werden entweder vom Computer oder teilweise von bis zu drei Mitspielern übernommen.

Pseudo-Freiheiten

Für jedes Musikstück gibt es ein vorgegebenes Instrumentenset, das sich jedoch teilweise oder komplett austauschen lässt. Auch kann ein einzelner Spieler über mehrere Durchlaufe nach und nach alle Instrumente ersetzen, wenn er dies gerne möchte. Dies macht spätestens dann Sinn, wenn ihr nach Lust Laune zusätzlich Töne spielt, die im Original gar nicht zu hören sind. Leider könnt ihr deren Höhe nicht selber bestimmen und nur sehr eingeschränkt dank simpler Effekten variieren.

Die Steuerung ist auf den ersten Blick vielschichtig, weil je nach Instrumentenart völlig anders. Bei Flöten oder Bläsern müsst ihr die Wiimote schräg hoch für laute und schräg runter für leise Töne halten sowie fleißig auf die Knöpfe drücken. Bei Schlagzeug und Klavier haut ihr mit Wiimote und/oder Nunchuk in der Luft herum. Bei Gitarren haltet ihr die Wiimote auf Bauchhöhe und bewegt sie durch leichtes Schütteln, als ob ihr eine Seite zupfen würdet. Bei den Violinen bewegt ihr die Wiimote wie ein Streichwerkzeug vor und zurück. All das hört sich auf Anhieb einleuchtend an, funktioniert in der Praxis aber nur bedingt. Speziell das Imitieren der Gitarre bereitet bei schnell erwünschten Tonfolgen Probleme, weil Noten verschluckt oder zu viel gespielt werden.

Wii Music - Überblick-Trailer
Dieses Video von Wii Music gibt einen Überblick über die Kernfunktionen des Musikspiels.

Auch große Titel wie Prince of Persia oder Fable 2 deuten einen Trend an, der anscheinend immer weiter wächst: Spiele, bei denen ihr nicht wirklich sterben oder verlieren könnt. Wii Music ist quasi das Äquivalent im Musik-Rhythmus-Genre, denn hier wird die Performance der nachgespielten Werke überhaupt nicht bewertet. Nur der Spieler darf sich am Ende mit einer Punktzahl von 0 bis 100 selber einschätzen.

Unerträgliche Präsentation

Über das gesamte Spiel begleitet euch Sebastian Tutori, euer Klavierlehrer. Der schwer nach Polygon-Muppet aussehende Nervbolzen hat das Potenzial, bei der Hälfte der Menschheit zur absoluten Hassfigur aufsteigen. Allein während des ewig vor sich hinziehenden und unvermeidlichen Tutorials wünscht ihr ihm aufgrund seines zuckersüßen Gehabes und den immer gleichen Phrasen tödliche Krankheiten an den Hals. Ähnlich schaut es mit seiner "Familie" aus, deren Dauergrinsen für jeden, der älter als zehn Jahre alt ist, kaum zu ertragen sein dürfte.

Das allerschlimmste jedoch ist die wirklich miese Tonqualität der Instrumente. Aufgrund der vielen Wahlmöglichkeiten fiel Nintendo anscheinend nichts besseres ein, als billige Synthesitzer-Geräte mit schlechten MIDI-Samples zu imitieren. Spätestens hier wird das "Spiel, wie du willst, Hauptsache es gefällt dir!"-Prinzip ad acta gelegt, weil sich einfach alles schlecht anhört.

Dazu kommt eine Songauswahl der frechsten Sorte: Ein Großteil machen solch Kleinode wie "Morgen kommt der Weihnachtsmann" oder "My Grandfather's Clock" aus. Dazu kommen schlecht interpretierte Popmelodien, von denen keine jünger als zwanzig Jahre alt ist. In diesen Zeitraum fallen einzig die Nintendo-eigenen Musikstücke, doch selbst deren Auswahl wie Erscheinungsbild ist einfach nur traurig. Oder könnt ihr euch ernsthaft an den Soundtrack zu Animal Crossing erinnern? Dann schon eher an "Mute City" aus F-Zero, was sich hier jedoch besonders grässlich anhört. Einzig das gute alte Super Mario Bros.-Thema funktioniert, nur haben wir es inzwischen bis zum Erbrechen gehört.

Spielspaß für zehn Minuten

Die paar Minispiele, in denen ihr Musikstücke dirigiert oder per Glockenspiel nachklimpert, machen deutlich mehr Spaß, als das eigentliche Spiel. Leider beschränkt sich der jeweilige Umfang auf fünf magere Themen. Und das im Ansatz gut durchdachte Bonusquiz scheitert letztendlich am viel zu leichten Schwierigkeitsgrad.

Fazit

Andreas Altenheimer - Portraitvon Andreas Altenheimer
Trotz der seltsamen E3-Vorführung hatte ich noch Hoffnungen auf Wii Music gesetzt. Aber das Ergebnis ist ein einziges Debakel. Mit den sichtlich auf Kinder geeichten Konzeptentscheidungen, wie dem Fehlen einer vom Computer vorgenommenen Punktewertung und dem allgemeinen “Macht, was ihr wollt“-Gehabe, könnte ich noch leben. Doch das Programm scheitert schlicht weg an der grässlichen Musik. Die Instrumente hören sich an wie aus einem billigen Synthesizer für Sechsjährige entliehen und die Songauswahl ist einfach nur frech. Das Nintendo hier Lizenzgebühren sparen wollte, ist nicht einmal das einzige Problem: Die aus der eigenen Soundbibliothek entnommenen Lieder sind ebenso tausendfach durchkaut, schlecht umgesetzt und/oder völlig belanglos. Das Dirigieren macht zugegebenermaßen Spaß, was aber aufgrund des extrem dünnen Umfangs kaum für eine Kaufempfehlung ausreichend ist. Kurz: Wii Music zielt auf infantilen Spielspaß ab und scheitert brutal an der technischen Umsetzung.

Überblick

Pro

  • enorme Instrumentenauswahl
  • lustige Minispiele

Contra

  • katastrophale MIDI-Qualität
  • unglaublich schlechte wie “billige“ Songauswahl
  • Wiimote-Steuerung nicht exakt genug
  • mangels Spielziel nicht für ernsthafte Zocker geeignet
  • Sebastian Tutori und seine Familie
  • kaum Einfluss auf Notenhöhe der “Arrangements“
  • Umfang der Minispiele äußerst dünn

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