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Special - Ahmet-Kolumne: Zu alt : Dei Minecraft sei Gesicht

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    Jeder weiß: Der Alterungsprozess verändert uns physisch und psychisch. Das hat auch Auswirkungen aufs Gaming-Verhalten – wie ich am eigenen Leib erfahren muss. Glücklicherweise kenne ich die Lösung, die für uns alle ideal wäre.

    (Anm. d. Red.: Wie immer bei Gastbeiträgen gilt: Die Meinung des Autors muss nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    Als Kind hatte ich so eine Konsole mit fest installierten Spielen. Das waren im Endeffekt simple Pong-Varianten, die schnell öde wurden, doch ich blieb am Ball. Es war mir wichtig, die Spiele zu meistern, und irgendwann galt ich unter Freunden als unbesiegbar. Es gab auch keine Ecke in Zelda für NES, die ich nicht auswendig kannte. Ich hab mir für 220 Mark die US-Version von Star Fox (SNES) inklusive Multinormadapter gekauft und das Spiel so lange geübt, bis ich es durchspielen konnte, ohne ein Leben zu verlieren.

    Ich bin mal an einem Freitag mit dem Zug nach München gefahren, um [in Deutschland beschlagnahmtes Spiel Teil 2] zu kaufen, weil es in Nürnberg erst am darauf folgenden Montag erhältlich war. Eine Woche später konnte ich die Special- und Finishing-Moves sämtlicher Kämpfer auswendig. Ich hab so lange Street Fighter 2 gezockt, bis ich die Angriffe des Gegners anhand der Sound-Effekte erkannte. Ich musste nicht mal auf den Fernseher gucken, denn ich war ein junger Gott!

    What kind of shit is this?

    Heute kann ich gar nichts mehr. Ich spiele lediglich auf „very easy“ und bekomme Schweißausbrüche, wenn ein Spiel nur die Schwierigkeitsoptionen „normal“ und „hard“ bietet. Natürlich könnte man die altersbedingte Verschiebung der Interessen dafür verantwortlich machen. Kinder, Ehefrau und Karriere fordern eben ihren Tribut. Ich habe aber gar keine Kinder, keine Ehefrau und auch keine Karriere. Ich traf schon sehr früh die Entscheidung, solche Dinge auszuklammern, um mich auch als Erwachsener den wirklich wichtigen Seiten des Lebens widmen zu können: Musik, Filmen, Spielen, Alkohol und so weiter. Ich habe mir meine geistige Freiheit bewahrt und trotzdem komme ich mit den Veränderungen des Videospielmarktes nicht mehr mit.

    Der Anfang vom Ende war Final Fantasy 8. Vorher war ich leidenschaftlicher Rollenspieler und die erste PlayStation war für RPG-Fans der Himmel auf Erden. Wild Arms, Suikoden, Final Fantasy 7 und Final Fantasy Tactics wurden von mir verschlungen. Ich habe sogar unzählige Stunden mit kleinen Teilaspekten der Spiele verbracht. Ein ganzes Wochenende ging für die Zucht eines goldenen Chocobos in FF7 drauf. In Final Fantasy Tactics hat mich das Job-System tagelang beschäftigt, weil ich Ritter haben wollte, die in jeder Hand ein Schwert tragen können und Angriffe automatisch mit zwei Hieben kontern. Dann kam Final Fantasy 8 und hat alles zerstört. Das begann schon mit den hochgewachsenen Figuren, die aussahen wie Mitglieder japanischer Boygroups. Final Fantasy 7 präsentierte zwar auch schon Polygonfiguren, aber die hatten Knuddelproportionen, was für mich noch legitim war.

    Auch storymäßig war FF8 für mich eine Enttäuschung: pseudo-esoterisch, verworren und mit Holzhammer-Sozialkritik für Dumpfbacken durchzogen. Als das Spiel auf den Markt kam, war ich daher felsenfest davon überzeugt, dass es floppen und miese Bewertungen einfahren würde. Wie konnte Square nur so einen Scheißdreck fabrizieren? Zu meiner Überraschung wurde FF8 ein großer Hit und kassierte massenweise 90er-Wertungen. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, dass sich die Welt der Videospiele an mir vorbeientwickelt.

    Ein paar Monate später erschien jedoch Shenmue für Dreamcast und alles schien wieder gut. Mit einer ausgedruckten Übersetzung spielte ich die japanische Version mehrmals hintereinander durch. Dann kam die US-Version und plötzlich erfuhr ich, dass es nicht einfach darum ging, den Tod von Ryus Vaters zu rächen. Es ging um „Phoenix Mirrors“, „Dragon Mirrors“ und was weiß ich noch. Obwohl das Spiel jetzt Englisch konnte, kapierte ich weniger als zuvor. Fortan übertrumpften sich die Entwickler mit bescheuerten Geschichten. Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty oder Assassin’s Creed sorgen in meinem Kopf nur noch für Fragezeichen. Final Fantasy XIII ist und bleibt für mich der Großmeister der behinderten Narration. Für die Story hat Square wahrscheinlich ein paar Moderatorinnen von Astro-TV mit einer Grundschulklasse eingesperrt und anschließend Pilze verteilt.

    Mein Kraft

    Es sind aber nicht nur die Storys, die mein altersschwaches Hirn verknoten. Als Minecraft die Bühne betrat, wurde alles noch viel schlimmer. Es war das erste Spiel, das sich komplett meinem Verständnis entzog. Es gab schon vorher Spiele, mit denen ich nichts anfangen konnte, aber das hier war eine völlig neue Dimension. Ich probierte die Betaversion und dachte mir: „Ah, okay. Das ist wie Steineklopfen für Sträflinge, nur in hässlich.“ Tja, bis heute weiß ich nicht, worum es in Minecraft geht.

    Wobei das nicht ganz korrekt ist. Ich habe mich ausgiebig informiert und verstehe die Anforderungen des Spiels, aber ich verstehe nicht, warum man sich das antun sollte. Für mich klingt das nicht nach einem Spiel, sondern nach einem langweiligen Beruf, den ich nicht mal meinem ärgsten Feind wünsche. Dasselbe dachte sich damals sicher auch mein Vater, nachdem ich die kompletten Sommerferien mit Pitfall und Missile Command verbracht hatte.

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