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Special - Folgen des Amoklaufs : Rückkehr der Killerspieldiskussion?

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    Man sollte sich durchaus darüber Gedanken machen, ob die aktuelle Form der Gewaltdarstellung in Videospielen erforderlich und angebracht ist. Das hat nichts mit Zensur zu tun, sondern einem gesunden Menschenverstand, gerade wo Spiele immer realistischer und immersiver werden. Hier wäre es an der Zeit, dass die Videospielindustrie mal Stellung bezieht, eine Diskussion annimmt und anregt und sich nicht unter einem Stein versteckt. Gerade in Deutschland, wo Videospiele noch keine Lobby haben und wirtschaftlich kaum eine Rolle spielen, wird viel zu gern mal der Schwanz eingezogen und im besten Falle gar nichts gesagt. Immerhin hat sich der GAME-Verband mittlerweile zu dem Thema geäußert.

    Hilfe ist nötig, nicht Stigmatisierung

    Ein militärischer Berater der Call-of-Duty-Reihe hat mit vor vielen Jahren einmal gesagt: „Waffen töten nicht. Menschen töten“. Und genau das ist der Punkt: der Mensch. Natürlich ist so kurz nach den Ereignissen von Würzburg, München oder Ansbach noch nicht völlig klar, was bei den einzelnen Tätern der Antrieb war. Zumindest der Fall München scheint aber sehr konkret auf massive soziale und psychische Probleme hinzuweisen. Die Zuwendung zu den Gewaltspielen erscheint da weniger als Ursache, denn als logisches Symptom wie bei früheren Amoktätern auch.

    Es ist nicht ungewöhnlich, dass Opfer von Mobbing, Depression oder anderen Problemen im sozialen Umfeld zu Videospielen greifen, um der Realität zu entfliehen und sich dort auszutoben. Das geht im Grunde jedem Menschen so. Das kann sicherlich jeder bestätigen, der einen Scheißtag im Büro hatte und abends gepflegt ein paar Monster aus den Latschen klopft, um sich abzureagieren - was der Attentäter ja offenbar reichlich und intensiv getan hat. Für die meisten Betroffenen jedoch ist diese Flucht durchaus hilfreich, um abzuschalten, Aggressionen abzubauen oder – noch wichtiger – soziale Kontakte und sogar Freundschaften zu knüpfen, durch die Probleme sogar reduziert werden können.

    Noch wichtiger als Diskussionen um Mediengewalt wäre sicherlich die Behandlung der Frage, wie solchen Menschen geholfen werden kann, wie solche Probleme besser erkannt und behandelt werden können. Auch wir Spieler selbst können einiges dazu tun und uns mehr sensibilisieren. Der Umgangston gerade in Online-Spielen ist extrem rau geworden und natürlich ist es schwierig zu differenzieren, was ernst gemeint und was lediglich Dampfablassen ist. Wer aber im realen Leben schon mit Ausgrenzung oder Mobbing zu tun hat und dies während des Zockens auch noch erlebt – da wird die Zündschnur halt noch etwas kürzer.

    Psychische Störungen aller Art werden noch viel zu oft tabuisiert, stigmatisiert oder – noch schlimmer – ins Lächerliche gezogen. Dabei gelten beispielsweise Depressionen oder Burn-outs schon beinah als Volkskrankheiten, die jeden treffen können, ohne dass derjenige es selbst bemerkt. Viele leiden unter derartigen Problemen, was natürlich nicht heißt, dass jeder eine tickende Zeitbombe ist – diesen Fehler sollte man nicht machen. Hier ist Aufklärungs- und Informationsarbeit gefragt, auch im Spielebereich und speziell online. Wohin soll man sich beispielsweise wenden, wenn ein Spieler im Chat Suizid androht, massenhaft rassistisch pöbelt oder anderweitig extrem auffällig wird? Wie kann man sich gegen verbale Anfeindungen wehren?

    Verbote sind meines Erachtens ebenso kontraproduktiv wie der Beißreflex vieler Spieler. Es wäre an der Zeit, die mediale Gewaltdarstellung generell sachlich zu diskutieren – wohlgemerkt aller Medien, vom Kinofilm über das Videospiel bis hin zur Tagespresse. Aber auch, wie man auffälligen Personen, beispielsweise in Online-Spielen, auf schnellem Wege Hilfe zukommen lassen kann, wie man Spieler darüber informiert, was sie in solchen Fällen tun können, und wo Betroffene Hilfe bekommen können.

    Vielleicht sollten wir einfach ein wenig aufmerksamer, fürsorglicher und hilfsbereiter gegenüber Menschen sein, die dringend Hilfe brauchen, statt sie noch weiter auszugrenzen oder zu stigmatisieren. Statt über vereinzelte Politiker zu zetern oder aus Frust altbekannte Plattitüden zu äußern oder aus Aktionismus Anschuldigungen auszusprechen, sollten wir uns lieber alle offen und sachlich gemeinsam darum kümmern, dass die Welt wieder ein Stückchen besser wird. Nötig wäre es.

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