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Test - Capes : Test: Ein XCOM mit Superhelden hat seine Tücken

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Es war einmal Defiant Development, ein Studio, das ein Deckbuilding-Roguelike namens Hand of Fate entwickelte. Einer der Entwickler, Morgan Jaffit, hatte mit Freedom Force sogar seine Finger im Superhelden-Genre. Doch so richtig erfolgreich war Defiant Development nicht. So wurde der Laden geschlossen und im australischen Brisbane mit Spitfire Interactive ein neues Studio aus der Taufe gehoben. Offenbar enttäuscht, dass aus Marvel’s Midnight Suns von Firaxis kein XCOM mit Superhelden wurde, dachte sich Spitfire Interactive offenbar: Dann machen wir das eben.

Das Ergebnis heißt Capes, ist kein schlechtes Spiel und schafft es mit Leichtigkeit, mich immer wieder auf die Palme zu bringen. Aber von Anfang an. Ein XCOM mit Superhelden stand offensichtlich auf der Wunschliste vieler Spieler. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als sich das (völlig zu Unrecht gescholtene) Marvel’s Midnight Suns als Taktikspiel mit Deckbuilding und Karten entpuppte. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sich ein Studio entschließen würde, es (vermeintlich) besser zu machen.

Das Problem ist nur, dass Superhelden einer ganz anderen Spielmechanik folgen als beispielsweise ein XCOM, wo Waffen, Deckung, Sichtlinien und taktische Manöver eine Rolle spielen. Superhelden lassen ihre Fäuste sprechen, setzen zumindest gelegentlich ihre Superkräfte ein und flitzen agil durch ihre Welten. Jack Solomon von Firaxis wies damals nicht ohne Grund darauf hin, dass eine entsprechende Umsetzung in einem Spiel wie XCOM eine ziemliche Herausforderung sei.

Jedenfalls ging Spitfire Interactive mit viel Optimismus und etwas Superhelden-Erfahrung an die Sache heran. Mit Daedalic wurde ein Publisher gefunden, der selbst einige Kratzer im Lack hat. Erinnern wir uns: Von Daedalic stammte das völlig gefloppte Gollum-Spiel, was das Studio dazu veranlasste, künftig auf die Entwicklung von Spielen zu verzichten und lieber Spiele anderer Entwickler zu veröffentlichen.

Wie dem auch sei, mit dem 29. Mai hat Capes einen konkreten Erscheinungstermin und wir konnten uns bereits vorab mit einer Testversion beschäftigen. Capes schickt euch nach King City, einer modernen Metropole, die gleich mehrere Probleme hat. Zum einen steht die Stadt unter der Fuchtel des Konzerns, der im Grunde nichts anderes als eine riesige Schurkenorganisation ist. Superhelden hingegen werden in der ganzen Stadt gejagt und eliminiert oder für Experimente verheizt. Doctrine, ein mürrischer alter Mann, hat genug davon und gründet zusammen mit den Superhelden Facet und Rebound einen Widerstand, der die bedrohten Helden rekrutieren und schließlich die Herrschaft des Konzerns brechen soll.

Wie der Name schon sagt, haben die Entwickler ihr eigenes Superhelden-Universum erschaffen und greifen nicht auf lizenzierte Comics zurück. Der comicartigen Darstellung unserer Helden inklusive Sprechblasen steht aber nichts im Wege. Dementsprechend haben auch die Umgebungen trotz Unreal Engine einen gezeichneten Touch. Für einen Indie-Titel mit eher kleinem Team sieht Capes durchaus ansprechend und stilecht aus, Schönheit darf man aber nicht erwarten.

Auch wenn die Dialoge nur auf Englisch mit deutschen Sprechblasen verfügbar sind, geben sich die Entwickler zumindest Mühe, den Superhelden einen eigenen Charakter und vor allem individuelle Skillsets zu verpassen. Das gelingt nicht immer gut, das Niveau der Dialoge ist teilweise recht schwankend, aber es könnte alles noch viel schlimmer sein. Fun Fact am Rande: Capes sind bei den Superhelden in Capes eher Mangelware.

Die Story von Capes ist weitestgehend linear und gliedert sich in verschiedene Hauptmissionen, die durch Nebenmissionen und Patrouillen ergänzt werden, in denen ihr Erfahrungspunkte und Skillpunkte sammeln könnt, letztere abhängig davon, ob und welche Nebenziele einer Mission ihr erfüllt. Je nach Level stehen euch verschiedene Fähigkeiten zur Verfügung, die ihr mit diesen Skillpunkten freischalten müsst, um sie zu aktivieren. Während die Level an die Charaktere gebunden sind, könnt ihr die Skillpunkte nahezu beliebig auf eure Helden verteilen, was das ganze System und dessen Fortschritt etwas seltsam macht.

Neue Helden bekommt ihr nach und nach im Rahmen bestimmter Missionen, was an sich eine nette Sache ist. Das Problem: Egal wie weit ihr im Spiel vorangeschritten seid, eure Neuzugänge starten mit Level 1 und fühlen sich dementsprechend alles andere als toll an. Mühsames Hochleveln ist angesagt, das im Grunde nur durch das Wiederholen von Missionen möglich ist. Ja, genau, alle Missionen können erneut gespielt werden und bringen wieder Erfahrung, aber die Fähigkeitspunkte sind wie gesagt auf die Nebenziele beschränkt. Das ist mühsam und zwingt einen immer wieder dazu, bereits gespielte Inhalte zu wiederholen. Und das Missionsdesign ist wirklich nicht so gut, dass man das gerne machen würde.

Die Missionen werden, wie man sich denken kann, rundenbasiert auf Maps mit einem Raster aus Quadraten für die Bewegung gespielt. Die Missionen haben einen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad, der sich im Wesentlichen nach der Anzahl der Gegner richtet, die einem in die Quere kommen. Leider besteht fast die gesamte taktische Anforderung darin, irgendwie mit den Gegnermassen fertig zu werden. Ihr habt gerade mit Mühe und Not die ersten acht schwer bewaffneten Lakaien erledigt? Dann freut euch, wenn auf jeder Seite der Map noch einmal sechs Gegner auftauchen, mit etwas Pech sogar direkt vor eurer Nase. Oder ihr mit viel Mühe die erste Phase eines Bosskampfes mehr tot als lebendig überstanden habt und dann noch eine zweite Phase folgt.

Die einzelnen Superhelden haben natürlich ihre spezifischen Fähigkeiten, die ihr nach und nach verbessern könnt. Allerdings wirken die Skillsets etwas eindimensional und bieten wenig taktische Möglichkeiten. Da gibt es den mächtigen Tank, der zwar Gegner blocken und sich selbst stärken, aber kaum austeilen kann. Die zerbrechliche Nahkämpferin, die aus dem Hinterhalt zwar ordentlich Schaden austeilt, aber nach zwei, drei Treffern am Boden liegt. Oder der Blitz, der gleich mehrere Gegner auf einmal aufschlitzt, wegstößt oder zu sich heranzieht. Klingt an sich gut, aber nicht selten kommt es vor, dass man die Runde beendet, ohne alle Aktions- oder Bewegungspunkte verbraucht zu haben. Ganz einfach, weil es manchmal keine sinnvolle Aktion gibt oder das Risiko einfach zu hoch ist.

Neben den bereits erwähnten gibt es noch einige praktische Fähigkeiten, wie z.B. das Entwaffnen von Gegnern oder Superfähigkeiten, die man aktivieren kann, wenn man sie durch andere Aktionen aufgeladen hat. Auch hier gibt es Licht und Schatten. Bei einem Helden ist zum Beispiel ein mittelstarker Angriff auf einen einzelnen Gegner nicht viel, während ein anderer effektiv Gegner in einem ganzen Gebiet niedermetzelt. Eingeschränkt werden Angriffe und Bewegungen vor allem dadurch, dass vieles nur in vier Richtungen möglich ist. Angriffe auf schräg vor einem stehenden Gegner funktionieren nicht. Auch diagonale Bewegungen sind nicht möglich. Das ohnehin nicht gerade beeindruckende Arsenal an Fähigkeiten und taktischen Möglichkeiten wird dadurch noch weiter eingeschränkt. Für Superhelden. Hm.

Gut gelungen sind hingegen die Symbiosen zwischen den Teammitgliedern. Befinden sich Kameraden in der Nähe, gibt es verschiedene Boni auf die Skills und da kann schon einiges zusammenkommen, um die Situation zu retten. Mehr Schaden, mehr Reichweite, mehr Rückstoß, effektiveres Entwaffnen - all das erweitert immerhin das begrenzte taktische Arsenal und sollte von Anfang an ins Blut übergehen.

Auch die Umgebung kann man sich manchmal zu Nutze machen, indem man den Gegner in Abgründe zieht oder stößt, oder indem man Fässer anzündet, die dann für ein paar Runden den Bereich um einen herum mit Feuer überziehen (übrigens nicht diagonal). Das Missionsdesign mit der Vielzahl an Gegnern und dem Trial&Error durch fiese Überraschungen wird dadurch aber nicht besser. Es nützt wenig, wenn man zwei oder drei Gegner (dummerweise meist aus nächster Nähe) entwaffnen kann, einem dann aber das andere Dutzend die Kugeln um die Ohren ballert und die viel zu empfindlichen Helden schnell aus den Latschen kippen.

Capes - Trailer verrät euch den Releasetermin

Am 29. Mai erscheint mit Capes ein rundenbasiertes Taktikspiel rund um eine Superheldentruppe, die King City von einem verbrecherischen Konzern befreien will.

Auch der Tod ist ein Problem. Es gibt so gut wie keine Möglichkeit, verlorene Gesundheit während einer Mission wiederherzustellen oder zu heilen. Helden, die K.O. gehen, müssen wiederbelebt werden und stehen mit halber Gesundheit wieder auf. Schafft man die Wiederbelebung nicht innerhalb eines knappen Rundenlimits, stirbt der Held, die Mission ist gescheitert und man muss von vorne beginnen oder im Idealfall von einem hoffentlich nicht vergessenen Quicksave.

Das alles macht Capes nicht unbedingt zu einem schlechten Spiel, aber Spitfire Interactive hat sich bei dem Versuch, ein XCOM mit Superhelden zu bauen, in einigen Bereichen kräftig verhoben. Trotz einiger guter Mechaniken fehlt die Finesse, das gewisse Etwas und der Feinschliff. Vor allem aber hat man nie das Gefühl, potentielle Superhelden durch die Levels zu steuern, sondern nur ein paar kleine Kerle, die erst nach mehreren Anläufen eine Mission schaffen, nachdem man durch eine Trial&Error-Hölle mit wenig Fairness und viel Grind gejagt wurde. Etwas, das einem bei einem XCOM oder auch Midnight Suns so gut wie nie passiert.

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