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Special - „Shit, I did Videogames ... again“ - Kolumne : Rockstah goes Gaming #6: Die letzten 360(0) Worte

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Noch während ich um den verlorenen Mann unserer Einheit trauerte und darüber nachdachte, ob es das alles wert war, wurde ich plötzlich an die Theke gebeten. Ich zeigte meinen Zettel vor. Kommentarlos stellte man mir die Box vor die Nase. „Viel Spaß.“ Da war sie plötzlich. Einfach so. Lieblos auf die Theke geklatscht. Ich wollte Glück empfinden, doch war nur verwirrt. Wieso war das so einfach? Wo blieben die typischen Fragen und Probleme? Ich musste nicht mal meinen Ausweis vorzeigen. Das konnte doch nicht sein. Die Sache hatte keinen Haken, und genau das war der Haken daran. Denn in meinem Leben gab es immer mindestens ein Problem.

Ich schlich mich vorbei an der wütenden Menge, griff mir noch die zwei versprochenen Spiele und huschte Richtung Rolltreppe. Hinter mir brach in diesem Moment ein riesiger Mann mit der Statur und dem Aussehen eines jungen Massivs in Tränen aus, weil seine Reservierung wohl storniert worden war. Ich weiß nicht, ob es seine oder Mamas Schuld war. Aber bevor der wütende Mob mit dem Finger auf mich zeigen konnte, um mich wegen der Tränen des armen Bodybuilders zu beschuldigen, verschwand ich still unter wütender Beobachtung der restlichen Käuferschaft in Richtung Kasse.

Als ich den Saturn verließ, konnte ich mich das erste Mal freuen. Da stand ich nun und hatte sie, die tolle neue Xbox 360. Danke, Mama, du bist die beste und schönste Frau der Welt. In meinem Kopf poppten „Mission-erfolgreich-beendet“-Schriftzüge auf, die Anzeige meines Geldes in der rechten oberen Bildschirmhälfte erhöhte sich wie von Geisterhand und der Speicherstand wurde automatisch gesichert. Alles schien perfekt. Doch dann überkam mich die Panik, die entsteht, wenn man sonst schon alles hat. Die bekannte Tony-Montana- oder „Mr.-Burns-baut-ein-Casino“-Panik. Ich habe das, was alle wollen. Der Weg zum Auto ist weit. Sie werden mich ansehen und durch die Tüte erkennen, was ich mit mir herumtrage. Sie werden mich verfolgen, bedrohen und es mir entwenden wollen. Da draußen herrscht Krieg. Ich darf keine Zeit verlieren! Ich brauche eine Waffe. Oder muss zumindest schnell sein.

So rannte ich einfach los. Ich rannte und rannte und sah dabei dümmer aus, als ihr es euch je vorstellen könnt. Wie ein dummer, unförmiger Gockel. Ich drängte mich durch Massen von alten Damen und Schulkindern und verschwand aus ihrem Sichtfeld, bevor sie mich erspähen konnten. Ich sprang über Kinderwägen, schubste Menschen die Einkäufe aus der Tasche, beschimpfte einen Krankenpfleger als Hippie und zeigte einem Heißluftballon den Mittelfinger. Hinter mir lag ein Meer der Verwüstung, aber die Xbox blieb heil. Ich löste mein Parkhausticket, spuckte mehreren möglichen Konkurrenten auf den Seitenspiegel, um jegliche Verfolgungsjagd zu verhindern, und verließ Darmstadt mit den Worten „Tschüss, ihr Wichser!“ gen Sonnenuntergang. Um 11 Uhr morgens. Vielleicht war ich doch mehr Mann, als ich glaubte zu sein.

Als ich die Tür aufschloss und das Haus betrat, war das Spiel beendet. Konfetti soll es regnen, Credits sollen durchlaufen. Bejubelt mich, König Videospiel ist zurück! Doch kein Videospiel endet ohne Bosskampf. Das hatte ich in meiner spontanen Leichtfüßigkeit vergessen. So rannte mir der härteste Endgegner von allen noch beim Schließen der Tür entgegen, riss mir die Xbox aus der Hand, grinste mich an und sagte: „Vergiss es. Die gibt es erst an Heiligabend.“ Meine Mutter. Die Blaupause der Dark-Souls-Reihe. Continues gab es nicht, die wurden von ihr im Vorbeilaufen müde aufgefressen und ausgespuckt. Widerstand war zwecklos. Ich hatte das Spiel verloren. Und vor mir lagen 22 Tage Wartezeit.

So war das damals, am 2. Dezember vor acht Jahren. Mal schauen, welche Geschichte ich in acht Jahren über den 21. November 2013 erzählen kann. Eine Steigerung muss schon drin sein. Heute bleibt einem allerdings nicht mehr viel zu sagen außer: Danke, Xbox 360. Danke für die vielen tollen Titel und die Zeit, die wir zusammen hatten. Für großartige Momente mit Freunden und so mancher Frau. Für Exklusives und nicht Exklusives, was bei dir aber schöner war als beim Rest, und für Gamerscore. Generell für einfach alles und für dieses kleine, schöne Gefühl von technischer Geborgenheit. Außer Kinect, das war total dämlich. Aber ansonsten: ein ehrliches Danke. Du wirst mir ewig in Erinnerung bleiben. Und vielleicht auch ein bisschen fehlen.

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