Test - Valiant Hearts: The Great War : Die Wirren des Krieges
- PS4
„In ganz Europa gehen die Lichter aus, wir werden es nicht mehr erleben, dass sie angezündet werden", sagte einst der britische Außenminister Edward Grey, kurz bevor Großbritannien Deutschland den Krieg erklärte. Der 1. August 1914 war der Auftakt des ersten weltumspannenden Krieges, der Millionen Menschen das Leben kostete und nationalistischem Gedankengut den Weg ebnete. Gut 100 Jahre später gelingt es Ubisoft Montpellier, eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte von den Klassenzimmern dieser Welt in den Kosmos der Computer- und Videospiele zu verfrachten.
Es bedarf keines Patriotismus und auch keiner bildgewaltigen Inszenierung, um den gemeinen Spieler für sich zu gewinnen. Es ist nicht das Verlangen nach Action oder expliziter Gewaltdarstellungen, das dafür sorgt, dass wir uns für die Vergangenheit interessieren. Es sind die Fehler unseres Handelns, moralisch fragwürdige Entscheidungen und Interessenkonflikte globalen Ausmaßes, die aufeinandergetroffen sind. Spiele neigen in der Regel nicht zu Differenzierung und multiplen Betrachtungsweisen – sie versetzen euch meist in eine Rolle, die euch, den Spielern, das Schwarz-Weiß-Denken regelrecht aufzwingt.
Fünf Perspektiven
Um der Bedeutung und der Komplexität des Ersten Weltkriegs gerecht zu werden, ist jedoch eine andere Herangehensweise gefragt – und dieser wird Valiant Hearts: The Great War gerecht. Um zu verstehen, welche Folgen der Krieg für die Menschen haben kann, versetzt euch der Titel in die Rolle von fünf unterschiedlichen Charakteren verschiedener Nationalitäten. Damit erlebt ihr die Irrungen und Wirrungen des vier Jahre andauernden Krieges aus verschiedenen Perspektiven und erlebt die Geschichte in all ihren hell- bis dunkelgrauen Facetten. Gut und Böse gibt es nicht in dieser Welt. Das macht die Beschäftigung mit diesem Thema noch unangenehmer, als sie es ohnehin schon ist.
Auch wenn die Geschichte von Valiant Hearts sowohl Kernstück als auch Aushängeschild des Titels ist, drängt sie sich zu keinem Zeitpunkt in den Vordergrund. Dadurch bleibt Valiant Hearts ein Spiel und verkommt nicht zu einer interaktiven Erzählung, in der ihr zum Zuschauer degradiert werdet, der nur noch sporadisch involviert ist. Die Rätsel mögen nicht schwer sein, sind dafür aber stets logisch und trotz ihrer Limitiertheit manchmal sogar richtig clever. Die Einbindung von sammelbaren Gegenständen wirkt angesichts der Thematik etwas deplatziert und wenig gelungen, auch wenn sie euch historische Fakten liefern. So weicht die Illusion etwas plump geratenen Mechanismen, die weitaus subtiler hätten einfließen können.
Warum Action?
Das Gleiche gilt für spätere, Action-lastige Abschnitte, die im gesamten Kontext des Spiels völlig deplatziert wirken und dem ansonsten sehr ruhigen Grundtenor des Spiels eher schaden. Es sind diese kleinen Zugeständnisse an gängige Standards, die Valiant Hearts nicht gebraucht hätte, um seine Botschaft nach außen zu tragen. Doch sind sie ein vergleichbar kleines Gegengewicht zu dem ansonsten so durchdachten Konzept, das am Ende schwerer wiegt als solch überschaubare Ungereimtheiten.
Großes Lob gebührt dem grafischen Stil, der es schafft, die Gräuel menschlichen Handelns aufzuzeigen und dennoch für eine jüngere Zielgruppe verträglich zu sein. So beweisen die Entwickler, dass weder Fotorealismus noch explizite Gewaltdarstellung nötig sind, um Emotionen wie Mitgefühl, Angst und Trauer im Spieler zu wecken. Die Mittel, derer sich Ubisoft Montpellier bedient, rufen Betroffenheit hervor, ohne allzu vorhersehbar zu sein. Mag sein, dass der Effekt nicht immer so stark ist, wie im Vorfeld versprochen – aber er ist da.
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