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Special - Kolumne: Früher war alles besser! : Special

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Es gibt Dinge, die scheinen einfach, klar und unzweifelhaft wahr zu sein – vorausgesetzt, eine genügend große Zeitspanne trennt unsere Erinnerungen von der erlebten Vergangenheit. In unserer Kolumne werfen wir einen Blick in die Vergangenheit und ziehen Vergleiche zur Gegenwart.

Es gibt Dinge, die scheinen einfach, klar und unzweifelhaft wahr zu sein – vorausgesetzt, eine genügend große Zeitspanne trennt unsere Erinnerungen von der erlebten Vergangenheit. Die Partys waren wilder, die Autos sahen cooler aus, die Musik war besser und jeden Tag schien die Sonne. Diese erstaunliche Wahrnehmung, die sich nicht unbedingt mit der Realität decken muss – man denke nur an den ganzen Retro-Kram – erstreckt sich neben Wetter und verlorener Jugend jetzt auch auf die guten alten Computerspiele. Welcher Ü30er denkt nicht wehmütig an das erste "Siedeln", die erste Welteroberung in 'Civilisation' oder die Verzweiflung bei der schier unlösbaren Aufgabe, in 'Monkey Island' den blöden Bananenpflücker aus der Eingeborenenhütte zu bekommen. Zeit für das bekannte Wabern zwecks Rückblende in meine Vergangenheit (waber ...

... waber) 1991 – das Ende der Apartheid in Südafrika, die USA greifen das erste Mal den Irak an, die UdSSR geht den Bach runter und ich stecke mitten im Zivildienst. Erstaunlicherweise entschloss ich mich, mein sauer verdientes Geld für einen Computer auszugeben. Erstaunlich deswegen, weil in den frühen 80ern Computer noch doof und deswegen verpönt oder aber diabolische Weltuntergangsmaschinen waren, die unter anderem halfen, Cruise-Missiles auf unschuldige Menschen zu schießen. Doch gegen Ende des Jahrzehnts änderte sich diese Haltung langsam. Einer der Gründe war fraglos die Entdeckung, dass man mit Computern auch Spaß haben konnte – in Form von Spielen (natürlich nicht die "Wargames" des Pentagon).

Ein Freund von mir besaß bereits einen C64, doch meine Wahl fiel auf ein echtes Stück High-Tech: einen Atari Mega ST1. Dieses Prachtstück hatte nicht nur gigantische 1MB RAM und eine hoch auflösende 640x480-Grafik (natürlich nur in monochrom), sondern auch einen RGB-Anschluss für den Fernseher. Mit 16 Farben in 320x200 und der Gefahr, 20 cm vor dem Fernseher epileptische Anfälle zu bekommen, spielte ich, was ich an rar gesäten Titeln nur in die Finger bekommen konnte.

Mein erstes Spiel, 'Indiana Jones und der letzte Kreuzzug', führte mich geradewegs an den Rand eines Nervenzusammenbruchs, weil ich schon ganz am Anfang hängen blieb. Nach einigen Wochen und vielen, vielen Stunden des Herumprobierens gab mir der Freund eines Freundes den Tipp, nach dem genau einen Pixel großen Kaugummi an der Rückwand eines Schranks zu suchen. Da hätte man ja auch selber draufkommen können! Heute gibt es an allen Ecken und Enden des Internets Walkthroughs, doch wer damals 'Zak McKracken' durchspielen wollte, war auf sich allein gestellt und musste eine engelsgleiche Geduld und Nerven wie Stahlseile mitbringen.

Zugegebenermaßen war ich wahrscheinlich manchmal einfach zu blöd, zu vernagelt oder zu ungeschickt. Aber dank der oben erwähnten Geduld und einer gewissen psychischen Belastbarkeit war jedes Spiel eine neue Herausforderung. Und zum Glück führten die meisten meiner Abstecher in die bunte Welt der Computerspiele zum verdienten Erfolg. Und das war es, was einen tage- und wochenlang an den Computer fesselte (und nicht unbedingt Verständnis bei der Freundin hervorrief – daran hat sich bis heute nichts geändert).

Doch jetzt zurück in die Gegenwart (Wer hätte sich damals wohl diese Zukunft träumen lassen!). In einem leichten Anfall von Retro-Wahn (infolge akustischer Inspiration von Slimes "Störtebeker") installierte ich letztens 'Patrizier' auf meinem Rechner, ein Spiel, mit dem ich damals endlose Stunden verbracht hatte. Deprimierenderweise wollte aber der Funke nicht mehr überspringen. Nach nicht einmal einer Stunde verließ ich das Kontor von Søren Smørebrød wieder und widmete mich weniger nostalgischen Dingen (dem Abwasch, wenn ich mich recht entsinne).

Was war in den letzten 15 Jahren passiert. Nun ja, aus dem jungen Punk mit F**k-the-System-Einstellung von einst war ein alter Punk mit einem Job auf einem alternativen Ponyhof geworden, aber das konnte kaum der Grund für den Mangel an Motivation sein, oder doch? Vielleicht war es aber auch die komplizierte Steuerung, die nette, aber doch völlig langweilige Grafik (obwohl Didi Hallervorden als Kuppler ein echtes Highlight war!) oder der zähe Spielfluss. Wahrscheinlich hat sich aber die Erde nur einige Male zu oft gedreht. Ich habe mich verändert, die Spiele haben sich verändert und vor allem das Selbstverständnis im Umgang mit ihnen hat sich immens weiterentwickelt.

Denn Computerspiele haben schon lange ihren Nimbus der Subkultur verloren, den sie in den frühen 90ern noch hatten. Fest steht, dass die böse Industrie sich jetzt auch bei Computerspielen auf Retro oder Neuauflagen alter Spiele (mit unterschiedlichem Erfolg) eingeschossen hat und anfängt, unsere schönen Erinnerungen auszubeuten. Pessimistisch betrachtet vielleicht ein Zeichen für ausgewachsene kreative Faulheit oder der Beweis, dass nur eine begrenzte Anzahl origineller Ideen zur Verfügung steht. Wohin das allerdings führen kann, lässt sich im Mode- und Musikbereich gut beobachten, wo nur noch die Wiederholungen von Wiederholungen wiederholt werden. Ob dieses Schicksal auch den Spielen bevorsteht, bleibt abzuwarten. Aber vielleicht wird ja dieses Mal auch alles gut.

Was aber tun beim Auftreten eines akuten Anfalls von Verklärung? Dasselbe, wie bei der Erinnerung an den ersten Sex oder das erste Auto: Gerne mal ab und an in Gedanken in die Vergangenheit abtauchen, aber besser nicht die Freundin von damals anrufen und sie im alten Kadett besuchen.

Also, wie die "Straßenjungs" damals sangen: "Immer weiter geh'n – wenn's dir auch schwer fällt – Land seh'n, wo keines ist – oh Leute – immer weiter geh'n!"

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