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Special - Kolumne: Einfach nicht totzukriegen : Community at its best

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Vor wenigen Tagen habe ich mal wieder das alte Exemplar eines meiner absoluten Lieblingsspiele rausgekramt: Vampire Bloodlines. Der Titel begeistert mich auch nach fünf Jahren noch mit seinem unerhörten Wiederspielwert und würde mich auch so immer wieder in seinen Bann ziehen. Was mich aber weitaus mehr dazu verleitet, das Spiel nicht von der Festplatte zu schubsen, sind die ständig neu erscheinenden Fan-Updates, die in regelmäßigen Abständen sinnvolle Veränderungen und Verbesserungen vornehmen. Trotz der Pleite des Entwicklerteams kurz nach der offiziellen Veröffentlichung Ende 2004 lebt das Spiel heute durch seine unermüdliche Community weiter. Es ist einfach nicht totzukriegen.

Vampire Bloodlines ist aber nur ein, wenn auch wohl mit das positivste Beispiel für diesen Trend. Klammert man einmal die üblichen Verdächtigen aus dem Hause Valve (Half Life 2 und Counterstrike) und Blizzard (Warcraft, Starcraft, Diablo) aus, die noch immer von offizieller Seite trotz ihrer ohnehin schon hohen Qualität unterstützt werden, geht der Trend immer mehr hin zur Verbesserung von Videospielen durch fantastische Community-Arbeit. Also durch Fans, die das Potenzial in ihren verkannten Lieblingen erkennen und auch nutzen.

Als zum Jahresausklang 2006 nach ewigem Warten endlich Gothic 3 den Weg auf die heimischen Festplatten fand, war die Ernüchterung riesengroß. Schon im Vorfeld wurde nicht mit öffentlicher Kritik am Zustand des Hoffnungsträgers gespart, was Entwickler und Publisher später mit ihren Beschwichtigungsversuchen nicht mehr übertünchen konnten. Gothic 3 erschien eben doch in einem völlig indiskutablen und unfertigen Zustand. Da haperte es am misslungenen Schwierigkeitsgrad, an fehlerhaften Quests, der schlechten Leistungsoptimierung, unvorhersehbaren Abstürzen und so weiter - alles in allem ein Grund, sein Geld zurückzuverlangen.

Was folgte, war klar: Entwickler und Publisher trennten sich, das unfertige Produkt und enttäuschte Käufer blieben. Doch Gothic 3 war nicht tot, ganz im Gegenteil. Nach über zwei Jahren des Schuftens und Ausprobierens, nach kleineren und größeren Erfolgen veröffentlichte das Gothic-3-Community-Patch-Team erst vor Kurzem mit der Version 1.70 jenes Update, das das Rollenspiel letztendlich zu dem erwarteten Hit macht. Nicht nur durch Verbesserungen an der Spielmechanik, durch Leistungsoptimierung und das Beseitigen der am schwersten wiegenden Fehler, sondern auch durch das Hinzufügen neuer, selbst erstellter Quests. Und das völlig ohne kommerziellen Hintergedanken.

Für Publisher JoWooD und das ehemalige Entwicklerteam Piranha Bytes ist dies natürlich ein Armutszeugnis sondergleichen, das sich so schnell nicht wiederholen sollte. Zumindest JoWooD hat aber mit der Veröffentlichung des kostenpflichtigen Add-ons Götterdämmerung wieder einmal gezeigt, welche Qualität unter dieser Flagge auch zukünftig im Händlerregal, auf den Festplatten der Spieler und schlussendlich im Papierkorb landen wird. Das Hauptprogramm wird jedoch sicher auch noch nach dem Erscheinen von Gothic 4 gespielt werden, da bin ich mir ganz sicher.

Dass besonders Rollenspiele sehr langlebig sind, beweisen auch die Epen aus dem Hause Bethesda, namentlich Morrowind aus dem Jahr 2002 und Oblivion von 2006. Trotz der unbestritten guten Qualität der Spiele mischten sich doch immer wieder Störfaktoren auf den Rohling, ganz besonders bei letztgenanntem. Die schlampige Übersetzung in die deutsche Sprache vergraulte nicht nur viele Käufer, sondern stachelte einige auch wiederum an, das zu verbessern. So erschienen schon kurze Zeit später Updates, die zudem noch die Gesichtstexturen verschönerten und ein Erfahrungspunktesystem einführten, dessen Fehlen mir persönlich schon den Spaß an der Verkaufsversion raubte.

Ganz nebenbei passen sich auf Wunsch die Gegner nicht mehr an die eigene Stärke an. Ursprünglich war es ja sogar möglich, dieses Mammutwerk auf Stufe eins durchzuspielen. Als ernsthaften Rollenspieler haben mich die beschriebenen Verbesserungen nach dem enttäuschten Verkauf zum Wiederkauf bewegt. Und ich habe es bis heute nicht bereut.

Ein weiteres Trendspiel in diesem Sinne ist auch der militärische Taktik-Shooter Armed Assault, der mit der schweren Bürde eines inoffiziellen Nachfolgers zum Hit Operation Flashpoint zu kämpfen hatte. Hierzu gibt es etliche Modifikationen, beim Stichwort „ACE" dürfte einigen Kennern bereits das Wasser im Munde zusammenlaufen. Ein anderes ambitioniertes, eher unbekanntes Rollenspiel erfreut sich ebenfalls größter Beliebtheit und wird durch eine fleißige Fan-Schar mit Grafik- und Kampagnenmodifikationen gefüttert: Mount & Blade. Auch hier lohnt noch mal ein genaueres Anspielen mit den entsprechenden Zusätzen, die das Spektakel auf eine bessere Ebene hieven. Im Rennspiel-Genre bestimmen schon lange eher Titel wie R-Factor und Trackmania die Szene, natürlich am Leben gehalten durch die unermüdliche Fan-Gemeinschaft.

Jetzt hätte ich doch fast noch ein weiteres Paradebeispiel aus eigener Erfahrung vergessen. Ich gebe zu, bis kurz vor dem tatsächlichen Release von Stalker: Shadow of Chernobyl war ich eher genervt vom ständigen Hype um ein Spiel, dessen Veröffentlichung sich immer mehr nach hinten verschob, in der Hinsicht dem Duke Konkurrenz machte und auf dessen Feature-Liste ich von Monat zu Monat immer mehr tolle Sachen streichen musste. Ich kaufte es mir trotzdem, warf meine Prinzipien in die Ecke und das Spiel wenig später leider auch. Zu viel von dem, was versprochen wurde, war einfach nicht da. Schlimmer noch: Unfertigkeit an allen Ecken und Enden, darüber hinaus gestaltete sich der offizielle Patch-Support zu einer weiteren Kernschmelze.

Ein verärgerter Blick in die Foren ließ aber wieder Hoffnung aufkeimen. Schon nach kurzer Zeit sprossen die ersten Fan-Modifikationen aus dem Community-Boden. Neben netten Spielereien wie Autofahren und Schlafen wurde mächtig an der genialen Lebenssimulation gebastelt, was ein völlig neues, intensiveres Spielerlebnis in der gewohnten Umgebung zuließ - die Zone war endlich unberechenbar, so wie ich es mir vorgestellt habe. Und auch dieses Ausnahmespiel wird die Zeiten überleben. Die Zukunft wird sogar noch interessanter, nachdem die Entwickler die damals eingestampfte Alpha-Version aus dem Jahre 2004 für alle freigegeben haben. Ich freue mich riesig auf die Ergebnisse.

Selbstverständlich sind dies nur ein paar Beispiele für einen Trend, der mir schon seit einiger Zeit aufgefallen ist. Vergessen darf man auch sicher nicht die tollen Fan-Missionen für noch ältere Highlights wie Freelancer, Max Payne 2, Dark Project, Doom 3, Deus Ex und wie sie nicht alle heißen. Grafische Spielereien werden zu noch mehr Titeln geboten, siehe Thief: Deadly Shadows, die Deus-Ex-Reihe, System Shock 2, und, und, und. Aktuell scheint das auch auf Konsolen zuzutreffen: Man denke an Little Big Planet für PlayStation 3 mit seinen schier unendlichen Möglichkeiten. Auch die PS3-Version von Unreal Tournament 3 hat so schon ein paar gelungene Modifikationen hervorgebracht. Das sind die Videospiele, die man immer wieder rauskramt und die einfach nicht totzukriegen sind.

Diese Kolumne soll sicher kein Freifahrtschein an die Entwickler und Publisher unseres Lieblingshobbys sein - für mein Geld erwarte ich einfach etwas Fertiges. Und ich kann mich nicht immer darauf verlassen, dass deren kommerzielle Arbeit vom kleinen Mann daheim an seinem Privatcomputer fertiggestellt beziehungsweise perfektioniert wird. So warten viele wie ich noch immer auf den versprochenen Mehrspielermodus für Boiling Point und Anno 1503 sowie auf eine vernünftige Speicherfunktion für Project IGI.

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