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Test - Reus 2 – Test : Aufbau? God Game? Landschaftspuzzle? Reus 2 sagt dreimal: ja

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Ein erster Blick zeigt es bereits: Reus 2 bringt optisch und spielerisch viel Individualität mit. Auf den kreisrunden 2D-Karten müssen wir flugs eine urbare Landschaft erstellen und die Wünsche der Bevölkerung nach Wissen, Nahrung und Reichtum befriedigen. Dahinter verbirgt sich ein kluges System, dass es aber gerade zu Beginn unnötig kompliziert macht.

Nanu, Teil 2? Das impliziert doch, dass es einen ersten Teil gegeben hat? Richtig geschlussfolgert - und ebenfalls richtig ist: Allein die Kenntnis über den Vorgänger gäbe beim Jauch wenigstens eine fünfstellige Summe ab. Der - also Reus 1, nicht Quizmaster-Günther - erschien 2014 und setzte ebenfalls vor eine kreisrunde Welt, die von uns indirekt zu bebauen war. Zehn Jahre später erweitert Teil 2 dieses Konzept sehr behutsam, unserer Meinung nach zu behutsam.

Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer.

Aber der Reihe nach. In Reus – niederländisch für „Riese“ – steuern wir Planet für Planet drei der Giganten und gestalten mit ihnen zunächst per Terraforming die Oberfläche. Jeder Riese ist dabei auf die Umwandlung in genau eine Oberflächen-Art („Biom”) wie Wald, Wüste oder Ozean festgelegt, und bei der Auswahl sind wir auch nicht völlig frei – ganz ohne Wasser geht es nicht.

Sobald grundsätzlich bewohnbare Fläche auf unserem Planeten da ist, meldet sich der erste Nomadenstamm und möchte Siedelfläche zugewiesen haben. Zugewiesen, denn wir greifen als Gottheit im Hintergrund auf dem Erdball nur indirekt in die Welt ein und hoffen, dass unsere Handlungen das Richtige bewirken.

Genau wie bei den Riesen gibt es bei den Stämmen eine Auswahl, ihre Führungskräfte entsprechen nicht nur optisch und namentlich bestimmten Archetypen (“Piratin”, “Händler” ...), sondern das macht sich auch klar in ihren Vorlieben und Spielzielen bekannt. Manche Figuren sind auf Wohlstand aus, andere auf Forschung und ganz andere wiederum auf Nahrung und damit verbunden Bevölkerungswachstum.

Und damit kommen die “Biotika” ins Spiel, die Mineralien, Pflanzen und Tiere auf den einzelnen Land- oder Wasserflächen. Auch diese sind an die Riesen gekoppelt – einer legt die Steinchen ab, ein anderer Fauna, ein weiterer die Flora, und das jeweils in allen Biomen. Das ist die allerersten Male ein klitzeklein wenig verwirrend, weil beim Terraforming eben eine klare Zuweisung bestand.

Wir weisen also einen Riesen an, auf einer Fläche zum Beispiel einen Blaubeeren-Busch zu platzieren, dann watschelt die Kreatur niedlich und flink hin und tut genau das. Der Busch wiederum generiert dann Nahrung. So weit, so simpel, so nachvollziehbar. Unterschiedliche Biotika erzeugen natürlich unterschiedliche und unterschiedlich viele Ressourcen, mitunter auch mehrere.

Der Clou des Systems: Zwischen den Biotika bestehen Abhängigkeiten. Der Vogel Strauß in der Wüste etwa profitiert davon, wenn er mehr Platz hat, mutmaßlicherweise für „Meep, meep”-Roadrunner-Cosplay. Manche Pflanzen profitieren von bestimmten Mineralien, von wenigen – oder vielen – Tieren in unmittelbarer Nähe oder überhaupt. Was auch immer als Regelwerk denkbar wäre für die Verschränkungen der verschiedenen Biome: Reus 2 hat es.

Und daraus zielt das Spiel auch einen Großteil seiner Komplexität und seines Reizes. Genügt es zu Beginn, eben einfach ein paar Basis-Plättchen in die Gegend zu werfen, müssen wir mit jedem kleinen Ziel unserer Stimme oder jedem übergeordneten Ziel für die verschiedenen Ären komplexere Verschachtelungen errichten.

Und er sah, dass es gut war

Das macht durchaus Freude – es fühlt sich aber nicht immer wie ein Spiel an, sondern erinnert fast ein wenig an Lernsoftware. Gerade die ersten Ausflüge auf unsere neu zu bestellenden Himmelskörper arten regelrecht in Arbeit aus. Per se ist das Interface nicht einmal außerordentlich überladen, die Anzahl von Ressourcen entfachen auch keine noch nie dagewesene Komplexität, doch auch die als Tutorial gedachten ersten Besiedlungen bewerfen uns sogleich mit vielen Handlungsoptionen und -verpflichtungen. Statt uns erst einmal einen bereits terrageformten Kontinent vorzusetzen und damit Gott zu spielen, sollen wir uns immer gleich an einen ganzen Planeten mit mehreren Völkern versuchen.

Reus 2 - Release-Trailer zum wilden Genre-Mix

Reus 2 vermischt auf wildeste Weise die Genres Aufbauspiel, God Game und Landschaftspuzzle. Mit diesem Trailer feiern die Entwicklerinnen und Entwickler den Release.

Die niedliche Optik täuscht zudem, denn Reus 2 verlangt von Anfang an einen disziplinierten Aufbau und effizientes Management. Apropos täuschende Optik: Dass die Bevölkerungszahl der Siedlungen so gar nicht mit der tatsächlichen animierten Population übereinstimmt, verwirrt anfangs ein wenig und wertet die sonst gute Lesbarkeit des Spiels ab.

Im weiteren Spielverlauf kommen noch weitere Progressionsmechanismen auf uns zu: Die Möglichkeit, mehr Zeit oder mehr Expansionswillen unserer Völker zu kaufen, höhere Levels – gewissermaßen Evolutionsstufen – für unsere Bauflächen, mehr Terraforming-Optionen, Modifikationen an den einzelnen Biotika sowie sogar kriegerische Handlungen, wenn sich Völker in ihrem Expansionsdrang zu sehr reiben.

Reus 2 hat es dabei mit allem eilig und legt es bewusst darauf an, dass wir recht schnell möglichst viele Planetengründungen vornehmen. Zwar ist es möglich, auch nach Erreichen der Ziele weiterzusiedeln, allerdings profitieren wir dann nicht mehr im Meta-Game von etwaigen Goodies und Boni für künftige Anläufe.

Nach einigen dieser Anläufe ist der göttliche Funke übergesprungen und Reus 2 kann sich völlig entfalten. Oh, kann ich die Gefräßigkeit der Thunfische besonders ausnutzen? Sollte ich eine Kette von Mineralien bauen, um diesen Bonus zu kassieren? Und schwupps ist die Ära wieder um und wir mit neuen Zielen für die nächste konfrontiert.

Greift zu, wenn...

… euch knifflige Knobeleien an der Grenze zwischen God Game und Denkspiel reizen.

Spart es euch, wenn...

… für euch Siedeln und God Games in erster Linie ruhige, lange Aufbau-Phasen beinhalten sollte.

Fazit

Christian Burtchen - Portraitvon Christian Burtchen
Gar nicht so leicht, diese Gottheiten-Ausbildung

Hinter der niedlichen Fassade von Reus 2 verdeckt sich ein ziemlich fordernder Titel. Selbst auf dem zweiten von vier Schwierigkeitsgraden möchten die Völker ständig mehr, mehr, mehr. Zeit und Platz schränken dabei meinen Handlungsspielraum durchaus ein und verlangen mir einiges an Abwägungen ab.

Dieses durchdachte System hat durchaus einigen Charme, optisch wie spielerisch. Das Zusammenspiel der Biome und Biotika schiebt Reus 2 ein bisschen in Richtung Landschafts-Puzzle. Hat man einmal mit kaum Restzeit vor dem Ära-Ende die Wünsche aller Stämme befriedigt, fühlt sich das toll an.

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Gleichzeitig wundert mich aber auch, dass fast alle Kritikpunkte des ersten Teils weiterbestehen. Insbesondere der zähe Einstieg, die Bild-Spielmechanik-Schere und das schnelle Abarbeiten der Planeten hätte sich Abbey Games doch noch mal näher anschauen können. So versteckt das Spiel viel seines Reizes in den ersten Stunden. Dabei ist die grundsätzliche Mechanik und auch die indirekte Interaktion über diese Riesen sehr gelungen. Als ganz einfache Feierabend-Unterhaltung dürfte Reus 2 damit ausscheiden, aber es hat ja auch niemand behauptet, dass es einfach sei, Gott zu spielen.

Überblick

Pro

  • charmante, eigenständige Indie-Grafik
  • wuselige Spielwelt
  • toller Ideenreichtum, der Ökosysteme und ihre Wechselwirkungen schlüssig darlegt
  • Wahlfreiheit bei Missionen und Planetenkonfiguration

Contra

  • unnötige Wiederholungen im Spieleinstieg
  • einiges Optimierungspotenzial im Interface
  • teils rein symbolische Bildschirmaktivität

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