Länderauswahl:
Du wurdest von unserer Mobile-Seite hierher weitergeleitet.

Test - Last Train Home : Test: Commandos im Zug - und das richtig gut

  • PC
Von  |  |  | Kommentieren

Schon Partisans 1941 zeigte vor drei Jahren, dass sich die Commandos-Einheiten nicht nur, nun ja, herum-kommandieren lassen, sondern dass zusätzliche Logistik- und Wirtschaftsaspekte in oder zwischen den Missionen reizvolle neue Herausforderungen bieten. Jetzt überträgt Ashborne Games das Prinzip „Echtzeit-Taktik und Team-Management“ auf eine Truppe tschechoslowakischer Exil-Legionäre, die sich am Ende des Ersten Weltkriegs durch das zerrüttete und zerfallende Zarenreich kämpfen. Das Resultat: eine ordentliche Lernkurve und jede Menge hektische wie ruhige Belohnungsmomente.

Wer kennt es nicht: Versehentlich das falsche Sparticket erstanden, und schon geht die Heimreise von Kiel nach Hamburg überraschend doch über Dresden, Garmisch-Partenkirchen und Aachen. Last Train Home bildet diese Problematik vor einem besonderen, bis dato selten dargelegten historischen Szenario ab: das Ende des ersten Weltkrieges an der Ostfront. Die Truppen des Zarenreichs sind geschlagen, im Land tobt der Krieg zwischen der revolutionären Roten Armee und der monarchietreuen Weißen Armee, die ohne Rücksicht auf Verluste und die Zivilbevölkerung um die Vorherrschaft zwischen Ostsee und Japanischem Meer kämpfen. Mittendrin sind wir, eine kleine Truppe tchechoslowakischer Legionäre, die eigentlich nur eins wollen: nach Hause in den neuen Staat, der sich nach dem Fall des Habsburger Reiches zu formen beginnt.

Allein, der kürzeste Weg gen Prag ist leider auch der gefährlichste, und so geht es für uns in die andere Richtung: Wir sind an Bord eines Zuges, der von kurz vor Moskau quer über Sibirien bis an den östlichen Rand des Landes reisen soll, von wo uns hoffentlich ein Schiff zurück nach Europa bringt, wobei wir aber bitte möglichst die Neutralität der Tschechoslowakei berücksichtigen sollen.

Ja, dieses Story-Stilmittel für den Zug ist beim ersten Betrachten ein wenig, nun ja, bemüht - wie die Irrungen, die Kevin dereinst allein zu Haus und dann in New York stranden ließen oder die Körperbau ignorierenden Gesichtsmasken der Mission:Impossible-Reihe. Aber ähnlich wie im insgesamt patenten Film schieben wir alsbald die Realitätsprüfung beiseite und schauen, welchen Handlungs- und Spielraum der Fernost-Regio denn tatsächlich ermöglicht. Und das ist ein durchaus erquicklicher.

Partisans auf Rädern

Die Kernmechanik des Spiels: Den Langstreckenzug nach Sibirien nehmen und Ort für Ort, Mission für Mission überleben und Zug und Team weiterentwickeln. Die eigentlichen Missionen spielen sich dabei teilweise wie der Echtzeit-Klassiker Commandos, haben aber unausweichlich auch größere Schusswechsel-Passagen, in denen Munition und Deckungssystem stets im Auge behalten werden sollten. Der Zug ist nicht nur Herberge und Fortbewegungsmittel für unser Team, sondern auch Lazarett, Inventar und Küche, wobei sich die jeweiligen Wagen und ihre Funktionen auch weiterentwickeln und so etwa in ihrer Kapazität erweitern oder besser panzern lassen können.

Jede genauere Schilderung sowohl des Verwaltungs- als auch des Taktik-Modus läuft Gefahr, in eine „Bloß nichts Vergessen“-Beschreibung der Unmengen an Gameplay-Details auszuufern, deswegen tut es gut, einmal kurz innezuhalten (natürlich gibt es auch einen Pausen-Modus zum Planen) und zu schauen, wie dieses Riesen-Orchester an Spiel-Instrumentarien tatsächlich funktioniert und wie es sich anfühlt.

Die Antwort darauf ist: nach mittelkurzer Einführungsphase richtig, richtig gut. Da sind die Momente, in denen ich per Kundschafter einen fernen einsamen Gegner auf der Wanderschaft ausgemacht habe und den Atem anhalte, während sich meine Kämpferin an ihn heranschleicht und ich hoffe, dass sein Sichtkegel weiterhin in die andere Richtung zeigt. Die dramatischen Schusswechsel, in den auch die gegnerische KI sauber auslotet, wie sie meine Deckung umgehen kann. Die Befriedigung einer sauber gelegten Falle, bei der alles mit einem verhängnisvollen Steinwurf bedingt.

In solchen Momenten spielt sich Last Train Home wie ein Best-of-Album aus Echtzeit-Strategie und -Taktik. Habe ich erwähnt, dass es natürlich Nebenaufträge, mitunter mehrere Wege sowie einen Tag-Nacht-Wechsel gibt? Im Vergleich zu Partisans 1941 fallen das Fehlen von Innenräumen in den Taktik-Missionen auf – ein eher kleines Detail, das allerdings zulasten der Abwechslung beim Leveldesign geht – sowie dankbarerweise ein vereinfachtes Verletzungssystem.

Die Verwaltung meines Zuges in all ihrer Komplexität braucht dagegen etwas länger, um nahtlos zu funktionieren, und manche Mechanismen – etwa das „Erforschen“ simpler Hausmannskost-Rezepte – scheint etwas aufgesetzt. Dennoch: Auch hier fühlt es sich traumhaft an, etwa zwei verschiedene Teams zu Exkursionen entsandt zu haben und eine Erweiterung im Zug, beispielsweise für mehr Lagerplatz von den verbliebenen Arbeitskräften zeitgenau abzupassen.

Zusätzliche Dramatik bekommen Rast- und Sammelaktionen bereits nach ein paar Spielstunden, weil dann das Bedrohungsszenario für den Zug weiterwächst, wenn er bei Exkursionen oder Wartungsarbeiten auf offener Strecke ruht. Ein wachsender Balken zeigt an: Demnächst ist mit Attacken und Luftschlägen zu rechnen! Bei Angriffen nehmen Mensch und Maschine natürlich Schaden, sodass wir möglichst immer in Bewegung bleiben sollten.

Jeder Pixel voller Spielmechanik

Wie schon bei Partisans 1941 von Alter Games müssen auch bei Last Train Home im Hause Ashborne die Meetings zum Spieldesign eine Reihe von Ja!-Ausrufen gewesen sein, als hätte man sich ins Regal der Edeka-Hausmarke verirrt. Aufstiege für meine Team-Mitglieder sowohl im persönlichen Level als auch in militärischen Rang? Ja. Passive und aktive Fähigkeiten, die von Levels und oder Attributen beeinflusst werden? Ja, ja! Nahrungsmittel, Ermüdungs- und Verletzungszustände? Ja, ja, ja! Unterschiedliche Bewaffnungen und natürlich teilweise abgezählte Munition, Verbrauchsgegenstände mit Risiken wie Aufputschmittel, eine Forschung für Zug-Komponenten, eine Auswirkung selbst der Wagenreihenfolge bei möglichen Unfällen, Treibstoffverbrauch in Abhängigkeit der Geschwindigkeit? Ja, ja, ja! Hat der Autor hier noch ein paar Dinge vergessen? Jaaaa!

Die Folge ist, dass insbesondere die erste Stunde wirkt wie ein Brettspielabend mit einem überkoffeinierten Freund, der allmählich einen Kubikmeter Plättchen, Chips, Würfel, Steine und Tarot-Karten auf seinem Tisch ausbreitet. Überall blinkt es, tooltippt es, zeigen Hinweise auf, welches Feature geht und wie dieses mit jenem zusammenhängt.

Last Train Home weiß um seine Komplexität und bemüht sich redlichst, diese sanft einzuführen. Das geht teilweise elegant darüber, dass bestimmte Mechanismen erst später im Spiel freigeschaltet werden (progressive disclosure), sodass ich als Spieler eben die Basics (wobei diese auch Complexics heißen könnten) übe, ehe noch ein Interface-Element auf mich zukommt. Die benannten Tooltipps mit farblichen Hervorhebungen und Erklärbär-Videos sind zwar eher Linderung als elegantes Spiel-Design, aber ebenfalls lobenswert.

Und schließlich, aber als schlechteste Lösung: Verschiedene Mechanismen wie die Nahrungszufuhr oder insgesamt die Zugverwaltung lassen sich auch von vornherein abschalten - allerdings sagt das Spiel auch deutlich, dass es dann eher eine Light-Version serviert und nicht den letzten Zug nach Hause, wie er gedacht ist. Zur Prüfung steht aber natürlich Last Train Home in seiner richtigen Fassung, im Schwierigkeitsgrad Kommandant.

Schwieriger als die Komplexität per se wirkt, dass die Bedienung nach ein paar Ausflügen und Aufstiegen auch echte Unzulänglichkeiten und Klick-Klick-Klick-Fertig-Momente offenbart. Das Durchackern etwa von Erkundungen wird alsbald unnötige Mühsal, weil ich auch zum Einholen einfachster Angel- oder Holzhack-Berichte mehrfach klicken muss; die Zuweisung neuer Fertigkeiten verliert ebenfalls schnell ihren Reiz. Auch hier versucht Last Train Home, mit etlichen Komfortfunktionen entgegenzuwirken, aber steht eben einer riesigen Talsperre an Features und Optionen gegenüber.

Geschichten auf und abseits der Gleise

Sobald es mir als Spieler gelingt, die Menge an Features etwas intuitiver zu verstehen und das Spiel weniger zu bearbeiten, als vielmehr wirklich zu beherrschen, fallen zwei Dinge an Last Train Home auf: Mit wenigen Ausnahmen greifen die Mechaniken gut ineinander. Das hätte schnell nach hinten losgehen können wie die berüchtigte schwächste Masche im Gewebe, aber es funktioniert.

Mehr Lagerkapazität, bessere Wohnräume, aufsteigende Teammitglieder, die Verwaltung von Müdigkeit und Verletzungen, Bonus- und Malus-System, all das baut schlüssig und motivierend aufeinander auf. Lediglich die oft etwas zu mager ausgestatteten Händler haben mich länger gestört, und auf das mehrfache Aufstiegssystem meiner Crew hätte ich verzichten können, ein Level-System reicht. Doch der Rest der Elemente schwankt zwischen „fein gemacht“ und regelrechter Begeisterung.

Zweitens: Last Train Home erzählt eine tolle Haupt- und viele sympathische kleine Nebengeschichten. Das ist in sich ernst nehmenden Kriegsspielen vor realistischen Szenarien kein einfaches Unterfangen und kann leicht in „Krieg ist echt schlimm“-Banalitäten untergehen, doch das ist hier nicht der Fall. Kleine Humor- oder Märchen-Ausflüge lockern die Erzählung auf, ohne pietätlos zu wirken, und die wirklich tragischen Geschichten von „Nimm bitte diesen Brief für meine Familie“ gehen umso näher.

Taktik-RTS zum Ersten Weltkrieg - Video-Preview zu Last Train Home

Last Train Home ist ein neues Taktik-RTS, das zum Teil auf wahren Begebenheiten basiert. Pirmin hat sich eine erste Vorabversion des PC-Titels ausführlich für euch angeschaut.

Im Kleinen wie im Großen überzeugt Last Train Home mit einer großartigen Inszenierung seiner Erzählungen. Vor einer passablen Grafik mit gelegentlichen Videosequenzen und dramatischer, meist sehr passender Musik gibt es dabei auch die Option eines besonders immersiven Audio-Modus, in dem sämtliche Kämpferinnen und Zivilisten die jeweilige Landessprache sprechen – den habe ich angelassen, weil er wirklich Atmosphäre stiftet, aber auch die englische oder deutsche Vertonung sind rundherum kompetent.

>> Ganz und gar kein Sparticket: Die 10 besten Zug-Level in Spielen <<

Narrativ überwindet Last Train Home also seine hohe Hürde des eigentlich etwas absurden Setups und überzeugte von der Missionsbenamung bis hin zu seiner gesamten Geschichte. Lediglich an einer Stelle greift die „Weniger ist mehr“-Binse: Auch die Geschichten um meine eigentlichen Teammitglieder wären mir noch näher gegangen, wenn ich davon nicht alsbald mehr als ein Dutzend durch die Gegend kutschiere.

Könnte dichinteressieren

Kommentarezum Artikel