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News - Kommentar: Wie weit darf Jugendschutz gehen? : Wo sind die Grenzen für Beckstein und Schünemann ...

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Es gibt einfach keine Ruhe beim Thema "Killerspiele". Nahezu jeden Tag gibt es neue Hiobsbotschaften für Action-Fans. Erst in diesen Tagen verkündete Beckstein die Forderung, Herstellung, Besitz und Verbreitung von "Killerspielen" unter empfindliche Haft- und Geldstrafen zu stellen, nun trötet Niedersachsens Innenminister und Sportschütze Schünemann, ohnehin bekannt für seinen harten Kurs (ich erinnere an die Fußfessel-Diskussion im Hinblick auf potentiell gefährliche Islamisten), ins gleiche Horn und fordert noch härtere Strafen. Dass derzeit im Cottbus-Prozess nun auch noch der Titel 'Smackdown vs. Raw 2006' unter Beschuss gerät, dürfte beiden Politikern da nur mehr als recht sein.

Auch Schünemann beruft sich bei seiner Forderung auf den Paragraphen §131 StGB, welcher besagt, dass mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer Inhalte herstellt, verbreitet oder zugänglich macht, die "grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt".

Doch geht ihm dieser Absatz nicht weit genug, ihm geht es um Spiele, in denen "die aktive Teilnahme" der Spieler an der Tötung von Menschen oder menschenähnlichen Wesen ein wesentlicher Bestandteil ist. Käme Schünemann mit seiner Forderung durch, würden demnach nicht nur Shooter im Fadenkreuz stehen, sondern prinzipiell alle Spiele, in denen in irgendeiner Art und Weise Gewalt gegen virtuelle Menschen ausgeübt wird. Sprich auch Strategiespiele, MMORPGs, Wrestling-Spiele oder gar Aufbauspiele a la 'Siedler' oder 'Anno 1701' könnten ins Visier geraten. Prinzipiell müsste man dann ja sogar gegen Brettspiele wie 'Risiko' vorgehen, immerhin wird dort die Eroberung der Weltherrschaft und die Zerstörung gegnerischer Armeen verharmlosend in Form von Plastikklötzchen dargestellt.

Dass Schünemann über klare Kenntnisse der hierzulande erhältlichen Computer- und Videospiele verfügt, besagt ja schon dieses Zitat aus einem Interview mit dem Stern: "Bei den Killerspielen geht es darum, dass die Spieler selbst zum Töten animiert werden. Sie müssen auf einen Knopf drücken. Dadurch wird etwa ein Arm mit einer Kettensäge abgetrennt. Diese Handlung wird zudem positiv bewertet, wenn man sein Opfer zuvor quält. Fürs Arm-Abtrennen gibt es 100 Punkte, fürs Kopf-Abtrennen 1000 Punkte" und "Ich habe nicht gespielt, sondern ich habe mir diese Szenen aus mehreren Spielen zeigen lassen". Nein, ich frage jetzt nicht, welche Titel das gewesen sein sollen, und die nicht in Deutschland ohnehin verboten wären – immerhin haben wir hierzulande das weltweit strengste System im Hinblick auf Alterseinstufungen für Spiele. Aber klar, erstmal was in den Raum werfen, die breite Masse kann es aus Unkenntnis eh nicht widerlegen und glaubt den Kram erstmal.

Schöne neue Welt ... warten auf uns wirklich nur noch virtuelles Bowling, Fussball (natürlich ohne Blutgrätsche) oder Tetris? Die schöne heile Welt des Computerspiels mit rosaroter Realitäts-Ignorierungs-Brille und Blümchen pflücken um die Wette? Selbst Nintendos familienfreundlicher Wii müsste sich Sorgen machen, muss man doch in Titeln wie 'Red Steel' mit einem Gegenstand in der Hand auf menschliche Gegner zielen und Schwerthiebe nachahmen. Oder man denke an 'Die Sims', wo böswillige Menschen ihre virtuellen Menschlein einfach verhungern und verwahrlosen lassen oder mal flugs die Ehefrau einmauern können.

Dass der Jugendschutz an sich ein Thema ist, das nicht an Spielen vorbeigehen darf, sollte wohl jedem klar sein. Ein 'Gears of War' gehört sicherlich nicht in Kinderhände, ebenso wenig wie ein 'Dark Messiah' oder ein 'GTA' und Machwerke wie 'Postal' braucht kein Mensch auf dieser Welt. Doch wie weit darf die Politik gehen? Ist nicht der Ansatz, den Schünemann verbreitet, der Beginn einer staatlichen Zensur und eines empfindlichen Eingriffs in unsere Rechte als Bürger? Was passiert denn, wenn der nächste Amokläufer keine Videospiele, sondern vielleicht einen Stapel Action- und Horrorfilme oder Bücher im Stile von 'American Psycho' sein eigen nennt? Stehen wir dann irgendwann vor einer staatlichen Zensur aller Medien?

Mal ganz abgesehen davon, dass einige der Forderungen Schünemanns wohl kaum umsetzbar sind. Schließlich sitzen die Hersteller der Spiele zumeist im Ausland – Opfer wäre also der Handel und vor allem die Spieler. Da ist dann der nächste Knackpunkt: Wenn schon der Besitz strafbar ist, dürfen wir dann demnächst mit polizeilichen Razzien in unserem Wohnzimmer rechnen? Laut Herrn Schünemann: JA! Was passiert mit erwachsenen Spielern, die in den letzten Jahren rechtmäßig ihre Spiele im Laden gekauft haben? Müssen wir dann alle in den Knast? Geldstrafen zahlen? Beschlagnahme von Computer/Konsole und Spielen? Vielleicht gar eine Spieleverbrennung auf dem heimischen Marktplatz? Und das obwohl jetzt schon die extremen Titel hierzulande gar nicht erst veröffentlicht werden oder ohnehin auf dem Index landen?

Dürfen die Taten einiger weniger Extremfälle wirklich dazu herhalten, Millionen von Menschen pauschal an den Pranger zu stellen, zu kriminalisieren und in die bürgerlichen Rechte einzugreifen? Nichts gegen den Jugendschutz, aber selbigen zur staatlichen Zensur auszuweiten (was ich Hardlinern wie Schünemann oder Beckstein nach ihren aktuellen Vorstößen durchaus zutraue), geht zu weit. Es gibt in diesem unseren Lande jede Menge anderer und vorrangiger Probleme im Jugendschutz, als mit generellen staatlichen Verboten und Rundumschlägen um sich zu werfen. Man kann nur hoffen, dass langsam aber sicher mal wieder Vernunft in die Diskussion kommt, denn mittlerweile muss ich mich fragen, ob das, was hier gerade in der Politik passiert, im Erfolgsfall nicht noch schlimme Folgen für uns alle hat.

Bis dahin kann man nur hoffen, dass man in Deutschland endlich mal auf den Trichter kommt, dass es bereits sinnvolle Regelungen gibt, deren Einhaltung aber ein Problem darstellt. Aber solange über Rauchverbote diskutiert wird, während sich jedes Kind am Zigarettenautomaten an der Ecke eine Schachtel Kippen kaufen kann, hab ich da wenig Hoffnung ... Im Vorschriften machen ist Deutschland gut, im Durchsetzen jedoch nicht.

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