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Test - Vampyr : Horror-Rollenspiel von den Life-is-Strange-Machern

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Mit Vampyr wagt sich der Entwickler von Life is Strange in ganz neue, blutige Gewässer. Das Action-RPG aus dem Hause Dontnod setzt auf eine intensive Story, gepaart mit einem recht ausgeklügelten NPC-System. Dabei sollen es eure Entscheidungen und euer Spielstil sein, die das Geschehen und den Schwierigkeitsgrad des Spiels bestimmen. Nach 55 Stunden und zwei Spieldurchgängen erlauben wir uns dazu eine Meinung.

Der Erste Weltkrieg hat gerade sein lang ersehntes Ende gefunden. Großbritannien leidet noch immer unter den enormen Verlusten, da kommt bereits das nächste Unglück übers Meer. Die Spanische Grippe geht um, kostet unzählige Bürger des Landes das Leben. Hauptcharakter Dr. Jonathan Reid kehrt gerade aus dem Krieg in diese furchtbare Umgebung zurück, da verliert er bereits sein Leben … an einen Vampir.

Nach seinem unschönen Erwachen hin- und hergerissen zwischen zwei Welten, macht sich der (noch) gute Doktor auf den Weg, ein Heilmittel zu finden – und die Person, die für seine Wandlung anzuklagen ist. Dabei muss er sich entscheiden, ob das Blut der Lebenden ihm als Quelle der Macht dient oder er versucht, sein Gewissen über den unstillbaren Durst zu stellen. Je nach eingeschlagenem Weg beeinflusst euer Vorgehen die gesamte Geschichte.

So spielt sich Vampyr

Vampyr kommt aus ungewohntem Hause, ist Entwickler Dontnod doch bisher hauptsächlich für das 3-D-Adventure Life is Strange bekannt. Das neueste Projekt geht ganz andere Wege, tritt dabei bewusst, teilweise sogar gekonnt, in die Fußstapfen von Vampire: The Masquerade – Bloodlines. Das Rollenspiel setzt auf eine Mischung aus Investigation, Erkundung und vom Spielstil abhängiger Schwierigkeit in Kämpfen.

Die Grundidee ist so simpel wie genial. Je mehr Informationen ihr über die Bürger in Vampyr herausfindet, um so mehr Erfahrungspunkte erhaltet ihr für das Aussaugen der bemitleidenswerten Einwohner Londons. Wer sich vom Blut der Lebenden ernährt, füttert damit den Tod, leert die Straßen und lässt Chaos sowie Monster auf die Bezirke los. Außerdem werdet ihr auf diese Weise sehr schnell äußerst mächtig, was den Schwierigkeitsgrad deutlich senkt.

Wer jedoch bei Verstand bleiben möchte und Mitleid mit seinen Mitmenschen empfindet, levelt deutlich langsamer, hat es im Vergleich also schwerer in den Kämpfen. Oder ihr versucht einen gesunden Mittelweg zu finden und sucht euch diejenigen aus, die in euren Augen den Tod verdient haben. Jede dieser Möglichkeiten verändert das Geschehen in Vampyr ein klein wenig.

Leider nicht so stark, wie es zu begrüßen wäre. Egal für welchen optionalen Spielstil ihr euch entscheidet, der Titel bleibt über weite Strecken viel zu einfach. Zwar werden nach und nach einige neue Gegnertypen eingeführt, der Ablauf im Kampf ist jedoch stets derselbe: ein Tanz aus Drücken der Ausweichtaste, gefolgt von schnellen Angriffen. Wer zusätzlich Magie verwendet, senkt den Anspruch auf ein Minimum.

Einige der magischen Fähigkeiten eures Charakters sind in ihrer Kombination so maßlos jedem Feind überlegen, dass man auf andere Waffen eigentlich überhaupt nicht mehr zurückgreifen muss. Generell liegt hier ein weiteres großes Manko, das den Spielspaß deutlich trübt: In Vampyr gibt es zwar reichlich Waffen, einhändige Hieb- und Stichwaffen, Pistolen, zweihändige Sensen und so weiter und so fort, diese unterscheiden sich im Spielstil jedoch so gut wie gar nicht.

Obwohl ihr ermutigt werdet, beständig Ausschau nach neuen Waffen zu halten, hält sich die Freude bei erfolgreichem Fund in Grenzen. Gleiches gilt für die sammelbaren Objekte, die ihr an der Werkbank zerlegen und beispielsweise zu kräftigenden Sera verarbeiten könnt. Es sind immer die gleichen paar Objekte.

Allerdings lassen sich Waffen bis zu vier Mal verbessern und ihr habt stets die Möglichkeit, aus zwei Boni zu wählen, um damit euren eigenen Spielstil abzurunden. Was differenziertes Kämpfen angeht, ist damit jedoch das Höchste der Gefühle erreicht: Aufs Wesentliche heruntergebrochen gibt es lediglich vier verschiedene Waffentypen, jeweils ausgelegt auf das Aussaugen von Blut, das Durchbrechen der gegnerischen Abwehr oder das Hinzufügen von Effekten.

Das NPC-System

Solltet ihr euch entscheiden, eure Macht durch das Blut der Lebenden zu stärken, findet ihr in allen vier Bezirken mehrere NPCs, die sich je nach Fortschritt im Spiel in euren Bann ziehen und aussaugen lassen. Je mehr ihr zuvor über das Opfer herausgefunden habt, umso größer die Belohnung in Form von Erfahrungspunkten. Der Clou besteht darin, dass sich eure Taten auf den kompletten entsprechenden Bezirk auswirken.

Viele böse Handlungen und leblose Körper auf eure Kosten bewirken, dass es den Bürgern ohne medizinische Hilfe schnell schlecht geht. Die Qualität ihres Blutes nimmt ab, die allgemeine Stimmung sinkt, Händler setzen ihre Preise rauf. Ist der Zustand eines Bezirks unter die kritische Marke gefallen, wird er zu einer feindlichen Zone. Wo ihr euch zuvor frei bewegen konntet, leben nun gefährliche Wesen auf den Straßen und Jäger patrouillieren überall.

Wer auf den Reiz des roten Safts verzichtet, hat es in Kämpfen zwar ein bisschen schwerer, bekommt dafür jedoch im Spielverlauf mehr alternative Möglichkeiten und Lösungswege geboten. Nichtsdestotrotz fallen die Unterschiede dabei äußerst gering aus. Abgesehen von einigen Nebensächlichkeiten in der Geschichte und einem optionalen, sozusagen „guten“ Ende hat euer Handeln keinen tiefgreifenderen Einfluss.

Egal welchen moralischen Weg ihr einschlagt, auf den Straßen Londons sieht es immer ähnlich aus. Abgesehen davon, dass ein Bezirk wie erwähnt feindlich werden kann, verändert ein rabiater Spielstil in erster Linie nur die Anzahl und das Level der Monster, die nachts umherstreifen – und dadurch immer öfter in Kämpfe mit Vampirjägern geraten, was es euch unterm Strich sogar noch einfacher macht, von A nach B zu kommen. Wenn zwei sich streiten …

Dialogoptionen und Hinweise

Hinweise über Bürger sammelt ihr auf drei verschiedene Arten. Zum einen könnt ihr euch mit NPCs unterhalten und sie ausfragen. Ab und an habt ihr dann die Wahl zwischen drei Antwortmöglichkeiten, wobei ihr bei richtiger Wahl einen Hinweis erlangen oder bei falscher Antwort für immer verlieren könnt.

Zum anderen könnt ihr die Auserkorenen heimlich beobachten. Hierfür den richtigen Moment zu erwischen, hängt jedoch stark vom Zufall ab. Oder der Qualität eures Sitzfleisches, da es durchaus mehrere Minuten dauern kann, bis sich ein Hinweis auf diese Weise offenbart. Mehrere Minuten, die ihr einfach sinn- und lustlos an Ort und Stelle verweilen müsst, bis sich die Zielperson endlich mal dazu durchringt, irgendwo, teilweise mit irgendwem, etwas Geheimes zu tun oder zu besprechen.

Die letzte Möglichkeit, an Informationen zu gelangen, besteht darin, Schriftstücke, Fotos oder Ähnliches zu finden. Egal welche Vorgehensweise man wählt, man kommt sich dabei eher wie Sherlock Holmes vor als wie ein Arzt im Kampf gegen eine grauenhafte Seuche. Zusammen mit den Untersuchungen, die ihr für den einen oder anderen Bürger durchführen könnt, seid ihr zudem ständig am Hin- und Herlaufen.

Die Befriedigung, dies zu tun ist, mag für notorische Sammelratten und Komplettionisten groß sein, wer jedoch vor allem Wert auf Inhalt legt, dürfte enttäuscht sein. Solltet ihr nicht vorhaben, die Bürger bis auf den letzten Tropfen auszusaugen, haben eure Investigationen reichlich wenig bis gar keinen Einfluss auf das Geschehen. Ihr erfahrt so zwar allerlei aus dem Leben der entsprechenden Person, was mitunter ganz interessant sein kann, ändern tut sich dadurch jedoch wenig.

Vampyr - Launch Trailer
Ab dem 05. Juni 2018 wird das neue Vampyr von Focus Home für PC, PS4 und Xbox One erhältlich sein.

Afterlife is Strange

Angesichts der im Vorfeld versprochenen Life-is-Strange-Einflüsse fällt das Dialogsystem von Vampyr enttäuschend aus. Versehen mit durchschnittlichen Synchronsprechern, gekrönt von einem sehr passenden Sprecher für die Hauptfigur, besteht es letztendlich aus nicht mehr als einer endlosen Klickerei durch meist wenig abwechslungsreiche Optionen.

Überwiegend wählt ihr einfach eine Antwort nach der anderen aus und wenn dann doch einmal eine Wahl getroffen werden muss, sind sich die verschiedenen Dialogoptionen meist viel zu ähnlich. Es gibt tatsächlich eine Stelle im Spiel, in der ihr euch zwischen „Es ist nichts für die Öffentlichkeit“, „Es ist privat“ und „Es ist etwas Persönliches“ entscheiden müsst.

Die vier Bezirke

Vampyr verfügt nicht über eine Open World im engeren Sinne, sondern ein in sich geschlossenes System aus vier Bezirken, die sich nach und nach erkunden lassen. Außerdem gibt es in jedem Stadtteil Orte, Kanalisationstunnel und Gassen, die erst durch das Erfüllen bestimmter Vorgaben betreten werden können. Die Umgebung ist schaurig-schön in Szene gesetzt und geprägt von einer tolle Atmosphäre.

Leider ist sie auch recht eintönig, vor allem wenn wirklich jede Ecke der Spielwelt bereist und inspiziert wird. Da es außerdem oft erforderlich ist, zwischen zwei Orten mehrfach hin- und herzureisen, werden die immer gleichen Umgebungen schnell fad. Wer alles entdecken möchte, jede Nebenmission mitnimmt und ohne Aussaugen unterwegs ist, benötigt für das Spiel knapp 30 Stunden. Ohne optionale Quests lässt sich die Hauptgeschichte deutlich schneller erleben.

Die Spielzeit schnellt zusätzlich in die Höhe, wenn ihr euch die optionalen sammelbaren Schriftstücke über die Hintergründe der Welt von Vampyr durchlest. Damit haben sich die Entwickler sehr viel Mühe gegeben, um ein geheimnisvolles sowie interessantes Spieluniversum zu erschaffen. Lediglich die teils enorme Menge an Text pro Notiz kann abschreckend wirken.

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