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Special - Geliebter Feind: Der AAA-Blockbuster : Ohne Call of Duty kein Superhot?

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    Auch hierzu gibt es passende Hollywood-Beispiele: Selbst die größten und teuersten Produktionen stecken inzwischen voller Fehler, vereinzelter Billigeffekte und anderer Unzulänglichkeiten. Denn je größer ein Film ist, desto leichter läuft er aus dem Ruder, weil manches nicht funktioniert wie gedacht, weil jeder der vielen Investoren ein Mitspracherecht verlangt oder weil die kreativen Köpfe schlicht den Überblick verloren haben und der Kinotermin immer näher rückt.

    Delikatessen

    "Warum skalieren die ihre Projekt nicht einfach auf ein gesundes Maß runter, stutzen sie zurecht?", mag sich jetzt manch einer fragen. Aber es ist schwierig, einem Kunden billigen Discounter-Fraß vorzuwerfen, wenn man ihn zuvor an Delikatessen gewöhnt hat. Schließlich haben wir Verköstigte uns nicht gerade gegen das edle Zeug gewehrt: Wir haben gierig jeden Bissen geschluckt und zugleich lauthals nach Leckereien gebrüllt, die noch raffinierter sind.

    Und schließlich sind selbst diejenigen unter uns, die sich auch mit weniger zufriedengeben, vom Blockbuster abhängig. Denn er ist es, der das Ökosystem Videospielkonsole am Laufen hält. Oder ganz ungeschminkt ausgedrückt: Ohne Call of Duty kein Superhot und ohne Uncharted kein Oxenfree. Oder Abzu. Oder No Man's Sky. Zugegeben: Der PC ist nicht gar so abhängig von der AAA-Tretmühle wie es PS4 & Co. sind. Doch gäbe es nicht in regelmäßigen Abständen teure Inszenierungsgranaten, bestünde auch hier keine Notwendigkeit, immer wieder leistungsfähigere Grafikkarten auf den Markt zu bringen.

    Wenn wir also wieder mal den Blockbuster verfluchen, die Hersteller für ihre Fantasielosigkeit verdammen oder allgemein über die mutmaßlich seelenlose Gelddruckmaschine dahinter meckern, dann sollten wir uns vielleicht daran erinnern, dass die aktuelle Spielelandschaft ebenso ein Spiegelbild unseres eigenen Konsumverhaltens ist. Und ja – kleine Spiele und ihre Macher sind wichtig, um Farbe ins Programm zu bringen und die Ideenmaschine zu ölen. Aber das Ökosystem, von dem sie profitieren, und die Vertriebskanäle, über die sie zu uns finden, die haben wir den AA- und AAA-Giganten der Spielewelt zu verdanken.

    Ohne Games-Projekte mit dreistelligem Millionen-Budget gäbe es keine nennenswerten technologischen Innovationen, kein Konsolengeschäft, keine neuen Grafikkarten. Wir müssen sie nicht mögen, doch sollten wir zumindest akzeptieren, dass sie die Antriebsfeder und der Motor unserer Branche sind. Das ist ein bisschen wie in der Politik: Es ist leicht, die regierenden Parteien zu hassen und die kleinen Underdogs zu mögen. Doch die Großen und ihre Erfahrung in Verwaltungsdingen sind es, die den Staatsapparat in Gang halten – auch wenn hin und wieder das Getriebe knirscht, weil mal wieder ein Bug wütet und wir deshalb genervt auf den nächsten Bundestagspatch warten müssen.

    Und ja: Natürlich gibt es sie: die hassenswerten Abzocker, Betrüger, Ausbeuter und Business-Haie, die sich auf unsere Kosten und die von unterbezahlten Grafik- oder Programmierhandlangern bereichern. Die jede Kreativität lachend mit Füßen treten und Existenzen reihenweise in den Ruin treiben, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Es gibt sie in Gestalt von Investment-Bankern, in den Chefetagen der Spielehersteller und sogar in den Studios selbst – in dieser Hinsicht ist die Spieleindustrie wie jede andere.

    Aber deshalb darf man Großproduktionen nicht unter Generalverdacht stellen: Ebenso wie die kleinen Fische haben es auch die dicken Brocken immer schwerer, ein Stück Ozean zu finden, in dem es noch genug zu fressen gibt. Denn das Ökosystem, an dessen Erschaffung sie maßgeblich beteiligt waren, das ist längst überfischt. Also sollten wir uns so lange am Anblick der trägen Riesen erfreuen, wie es geht. Denn ihr Untergang könnte den des kompletten Systems bedeuten. Und dass ein anderer schnell genug in dieselbe ökologische Nische drängt, um ihren Job zu übernehmen – das ist zweifelhaft.

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    Der Autor

    Robert Bannert – Spielstart 1974 in Köln, Game over irgendwann ab 2016 in einer verwahrlosten Zockerhöhle im ländlich-bayerischen Mering – ist bekennender Rollenspielfanatiker, verbohrter Singleplayer und Technologie- beziehungsweise Informationsfreak. Er streichelt gerne sein Super Nintendo, flucht wie ein Rohrspatz über das Provinz-Internet und wird von den meisten Japano-Fans gehasst, weil er Shadow of the Colossus eine 70er-Wertung verpasste. Abgesehen von einem zweijährigen Gastspiel als deutscher Oddworld-Abe bei GT Interactive ist Robert seit über 20 Jahren als Spiele-Journalist und Zeitschriftengrafiker aktiv, Karrierestart war die MAN!AC-Redaktion. Heute gibt er unter anderem das Indie-Magazin "elektrospieler" heraus und schreibt für die Business-Publikation IGM.

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