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Special - Ahmet-Kolumne - gamescom : Extreme gamescoming

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    Nun war es an der Zeit, mir ein paar Spiele anzusehen. Den Anfang sollte The Witcher 3 machen. Schon aus weiter Entfernung konnte ich vor dem Messestand riesige Schlangen sehen. Ich rief das Sicherheitspersonal zu Hilfe. Es stellte sich heraus, dass die Schlangen (ausgewachsene Anacondas) aus dem nahe gelegenen Zoo entflohen waren. Nachdem die Schuppenkriechtiere getötet worden waren, konnte ich mir endlich The Witcher 3 des polnischen Entwicklerstudios CD Pojekt RED reinziehen.

    Ein paar Idioten protestierten, weil ich mich angeblich vorgedrängelt hätte, aber das waren irgendwelche Blogschreiberdeppen und ich bin ein renommierter Printautor, der hin und wieder auch mal online tätig ist. Warum sollte ich also mit diesen Würmern in einer Reihe stehen? Vor dem Eingang erblickte ich glücklicherweise Fabian Döhla. Er ist für die PR von The Witcher 3 verantwortlich. Ich ging direkt auf ihn zu und befahl ihm, mir das Spiel vorzuführen. Er befolgte meine Anweisungen wie ein Profi, bat mich aber, meine Tasche im Vorraum zu lassen. Was für ein lustiges Kerlchen. Ich soll meine Tasche unbeaufsichtigt in einem Raum lassen, in dem es nur so vor Polen wimmelt? Come on!

    Ich habe meine Tasche also mit reingenommen und rund 90 Minuten mit dem ungestümen Geralt verbracht. Danach durfte ich The Witcher 3 spielen. Ich war ja schon vorher echt heiß auf das Spiel, aber was ich auf der gamescom erleben durfte, hat meine Vorfreude noch mal deutlich gesteigert. Ich besuchte weitere Stände, doch die meisten Titel kannte man ja bereits von der E3. Ein paar Überraschungen gab es dennoch. Ich meine wirklich überraschende Überraschungen wie Life is Strange von den Remember-Me-Machern, Wild von Michel Ancel, Hellblade von Ninja Theory oder Alienation von Housemarque.

    Nach dem Ende des Fachbesuchertages wollte ich mich im Hotelzimmer für die Gamescom-Branchen-Party frischmachen. Der Witcher-PR-Mann Fabian Döhla begleitete mich. Ich bat ihn darum, kontinuierlich in die Hände zu klatschen, während ich mich im Badezimmer zurechtmachte. Einfach nur um sicherzugehen, dass er keine Wertgegenstände klaut. Ich konnte ihn ja nicht sehen, solange ich mich im Bad aufhielt. Na ja, die Branchen-Party war jedenfalls relativ öde, denn da waren tatsächlich nur Fachbesucher anwesend.

    Hell is other people

    Am Freitag begab ich mich bereits extrem früh zur Messe, schließlich war die gamescom nun für alle geöffnet. Es war unglaublich, wie viele Menschen sich bereits in den frühen Morgenstunden vor dem Eingang tummelten. Ich spazierte demonstrativ hinter den Absperrungen auf und ab, um dem Pöbel zu zeigen, dass für mich andere Regeln gelten. Meine Körpersprache vermittelte in diesem Moment: „Hey, ihr Loser. Ich bin Mover & Shaker, Alphatier und Siegertyp. Look, but don’t touch!“ Ich musterte die Massen ganz genau. Die meisten Besucher sahen aus wie eine Kreuzung aus Systemadministrator und Achtziger-Rock-Fan, aber das meine ich völlig vorurteilsfrei.

    Ich verteilte ein paar Autogramme und machte mich anschließend zum Nintendo-Stand auf. Big N hatte eine total geniale Messestrategie: Man zeigte nämlich nur langweilige oder alte Grütze. Quasi um der Spielerwelt einen Spiegel vorzuhalten und das ständige „Höher-weiter-schneller!“-Gebaren anderer Hersteller anzuprangern. Man braucht keine neuen Spiele und auch keine gute Grafik, um glücklich zu sein. Ich verstehe diese Botschaft, denn ich höre zum Beispiel auch nur alte Musik aus den Fifties, Sixties und Seventies. Warum also nicht auch im Spielebereich den Fortschritt ignorieren? Ich habe verstanden, Nintendo!

    Eigentlich wollte ich mir dann bei Bethesda The Evil Within reinziehen, doch ich hatte die Nacht zuvor mexikanisch gegessen und deshalb das Gefühl, dass in meinem Inneren etwas Teuflisches sein Unwesen treibt. Ich ließ mich von der Menge treiben und endete im Getümmel vor einer Show-Bühne. Dort musste man sich erniedrigen und lautstarke Parolen eines Moderators wiederholen, um wertlosen Müll abzugreifen. In diesem Moment habe ich mich für die Menschheit geschämt. Sind Jesus, Martin Luther King und Ghandi dafür gestorben? Sollte die Würde des Menschen nicht unantastbar sein?

    Gerade als ich auf die Bühne springen und den Pöbel zurechtweisen wollte, vernahm ich ein lautes Klingeln. Es war mein Wecker. Ich war gar nicht in Köln, sondern zu Hause in meinem Bett! Mann, war ich in diesem Moment glücklich. Es war alles nur ein Traum! Moment mal – woher kommen denn all die Fotos, wenn ich das alles nur geträumt habe? Ganz einfach: Ich habe eine kleine versteckte Kamera im Haarschopf von Gameswelt-Fuzzi Christian Gürnth versteckt. Er hat die Cam nicht bemerkt, weil er sich nur alle 14 Tage wäscht. Er war also mein dickes Kamerakind wider Willen und nächstes Jahr verwandle ich ihn mit 4K-Equipment in ein hochauflösendes Schwein.

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    Über den Autor

    Unser Kolumnist Ahmet Iscitürk schreibt seit 16 Jahren über Spiele und müsste deshalb schon längst für die andere Seite arbeiten - zum Beispiel als PR-Manager. Darauf hat er aber keinen Bock. Ebenso wenig möchte er YouTube-Videos machen, denn er ist zu fett für die Kamera. Das Schreiben ist seine einzige Fähigkeit und darum wird er mit den Fingern auf der Tastatur sterben. Sein Credo lautet: „Lebe deinen Traum, auch wenn der Traum scheiße ist.“ Seinen Untergang könnt ihr unter anderem auf Twitter live miterleben.

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