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Special - Traumjobs und Kreativdrohnen : Rädchen im Getriebe

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    Mehr noch: Den Sternchen vergebenden Wutbürgern zufolge gibt es im Medien- und Kreativbereich kaum eine große oder kleine Firma, in der nicht geisteskranke und zutiefst sadistische Ausbeuter am Ruder sitzen, die von Personalführung nicht die geringste Ahnung haben. Nur: In den meisten anderen Branchen sieht es nicht besser aus. Auch hier sind der Hass auf den Job und chronische Meckerfritzigkeit Standard.

    Gekitzelter Selbstverwirklichungsnerv

    Nein, ich will den durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht als notorischen Meckerfritzen hinstellen. Aber Fakt ist nun mal, dass Menschen für gewöhnlich nicht besonders gerne arbeiten – oder zumindest nicht dauernd. Darum streben die meisten von uns danach, entweder möglichst bald nicht mehr viel arbeiten zu müssen oder zumindest einen Beruf auszuüben, bei dem wir uns morgens nicht qualvoll aus den Laken schälen müssen. "Selbstverwirklichung" ist das Zauberwort, das – so die These – aus einer qualvollen Ochsentour jeden Tag aufs Neue eine Party macht und dafür sorgt, dass sich die Zeit im Büro nicht verschwendet und sinnlos anfühlt. Möglichkeiten dafür gibt es heute jede Menge.

    Wer sich zum Beispiel kreativ selbst verwirklichen will, der kann über eine Plattform wie CreateSpace eigene Bücher veröffentlichen, Mobile-Spiele entwickeln oder sich als hobbyistische Spielwiese eine Website einrichten. Das Problem dabei: Nur die wenigsten schaffen es, sich mithilfe dieser Tätigkeiten zu ernähren – und schon gar nicht von Anfang an. Also ist es wieder mal ein stinknormaler und am liebsten einträglicher Job, der es richten soll. Und genau hier liegt das Problem von kreativ gepolten Arbeitsfeldern wie dem der Games-Branche: Auch hierbei handelt es sich im Grunde nur um "normale" Jobs, aber durch die Art der Tätigkeit fühlt sich unser Selbstverwirklichungsnerv gekitzelt.

    Wer von uns hat sich nicht schon mal als Kind gewünscht, Comic-Zeichner, Erfolgsautor oder ein berühmter Filmregisseur zu sein? Oder zumindest an der Entstehung dieser Werke teilhaben zu dürfen? Doch wie überall ist man auch hier meist nur ein Rädchen im Getriebe – vom kleinsten Kabelträger oder Grafik-Schrauber bis zum größten Studioboss erfüllt jeder seinen Job. Manchmal macht es Spaß und manchmal kotzt es einen einfach nur an.

    Dass gerade die Games-Branche hier immer wieder umschrieben wird, als wäre sie entweder das Arbeitsparadies oder aber das schlimmste Höllenloch aller Zeiten, liegt vor allem an der Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität. So fiebern viele Fans ihrem ersten Besuch in einem Spielestudio oder einer Games-Redaktion entgegen, als würde sie hier etwas ganz Besonderes erwarten … und dann ist die Enttäuschung oft groß: "Och, das ist ja nur ein Büro!" Klar: Was denn sonst?

    Arbeiterdrohne mit Spaß

    Dass ich – ebenso wie viele andere – dabeigeblieben bin, beweist natürlich, dass man allen Unschönheiten und grausamen Realitäten zum Trotz eine Menge Spaß haben kann: Für mich ist es vor allem die Lust darauf, immer wieder ein fertiges Produkt vor der Nase zu haben, das ich zusammen mit lieben Kollegen oder alleine fabriziert habe, was mich die negativen Aspekte vergessen lässt. Sei es nun die neueste Ausgabe meines Magazins oder ein Artikel, auf den ich besonders stolz bin. Bei Spielentwicklern ist es eben das berauschende Gefühl, dem Moment beizuwohnen, in dem das eigene Spiel "vom Stapel läuft".

    Für mich sind es diese Momente, die es am Ende doch erstrebenswert machen, Teil einer kreativ schaffenden und in der Games-Branche verorteten Sorte Arbeiterdrohne zu sein. Das führt zwar unweigerlich dazu, dass sich das Leben wie eine an dir vorbeirasende Sammlung aus Produktionsstrecken anfühlt – aber wenn du zu der Sorte Menschen gehörst, die sich gerne für ein Ziel aufopfern, dann (aber auch nur dann) ist diese verrückte Zunft für dich vielleicht auch die richtige.

    (Der Autor hat diesen Beitrag in einem dunklen, feuchten Kellerloch geschrieben. Für die 93-wöchige Arbeit gab es reichlich Arschtritte, 3,80 Mark und einen Kanten verschimmeltes Brot.)

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    Der Autor: Robert Bannert – Spielstart 1974 in Köln, Game over irgendwann ab 2016 in einer verwahrlosten Zockerhöhle im ländlich-bayerischen Mering – ist bekennender Rollenspielfanatiker, verbohrter Singleplayer und Technologie- beziehungsweise Informationsfreak. Er streichelt gerne sein Super Nintendo, flucht wie ein Rohrspatz über das Provinz-Internet und wird von den meisten Japano-Fans gehasst, weil er Shadow of the Colossus eine 70er-Wertung verpasste. Abgesehen von einem zweijährigen Gastspiel als deutscher Oddworld-Abe bei GT Interactive ist Robert seit über 20 Jahren als Spiele-Journalist und Zeitschriftengrafiker aktiv, Karrierestart war die MAN!AC-Redaktion. Heute gibt er unter anderem das Indie-Magazin "elektrospieler" heraus und schreibt für die Business-Publikation „IGM“.

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