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Special - Die Versmartphonung des Videospielmarkts : Identitätsverlust im Konsolenlager

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    Nun hat die diesjährige E3 gezeigt, dass ich – anders als vermutet – nicht der letzte Konsolero auf diesem Planeten bin, der sich ein bisschen mehr Individualität von seinem Wahlsystem wünscht: Sonys weitgehend unkommentiertes Programm wurde deshalb so positiv aufgenommen, weil es genau das zeigte, was die Gamer wollen: Spiele. Und zwar solche, die an ihr Lieblingssystem gebunden sind. Die ihnen zeigen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben, als sie an der Ladenkasse für PS4 und nicht für Xbox One gestimmt haben.

    Eigentlich logisch: Menschen sind Tiere und als solche extrem territorial. Zwar hebt unsereins nicht mehr das Bein, um sein Revier zu markieren, aber fast jeder von uns schätzt kleine, gut erfassbare und angenehm kuschelige Hemisphären. Kurzum: Man will sich heimisch fühlen und die vertraute Umgebung notfalls auch im Blindflug durchqueren können. Und, ja, das gilt für eine Videospielkonsole genauso wie für eine Wohnung oder den Heimatort.

    Darum sind Spieler auch so schnell dabei, wenn es darum geht, das eigene System mit Klauen und Zähnen zu verteidigen: Amiga ist besser als Atari ST, Mega Drive cooler als Super Nintendo und ein in die Ecke gedrängtes System wie zum Beispiel die selige Dreamcast weiß sowieso immer eine treue Schar ebenso begeisterter wie beratungsresistenter Verteidiger auf seiner Seite.

    Klarer Fall: (Heimat-)Liebe macht blind. Die Verteidigung eines technischen Ökosystems ist im Grunde nichts anderes als purer Patriotismus. Die grassierende Retroromantik – bei der handelt es sich um wenig mehr als schlichtes Heimweh. Wer heute noch liebevoll sein Super Nintendo streichelt wie der Hillbilly seine Muskete, der beklagt dabei im Grunde den Verlust seiner Heimat. Er fühlt sich entwurzelt.

    Vor allem in einer Zeit, in der es keine sinnvolle Alternative zu geben scheint: Wohin wendet sich der Vertriebene und seiner Heimat verlustig Gegangene im Smartphone-Zeitalter? Er tauscht nach zwei Jahren sein iPhone 5 gegen das 6er ein, haut eine neue Grafikkarte in seinen PC – und bald überbrückt er die Wartezeit bis zur PS5 durch den Kauf der PS4.5. Klingt nach dem endgültigen Abstieg in die Beliebigkeit, der Versmartphonung des Konsolenmarkts.

    Doch wenn es nach Epic-Boss Tim Sweeney ginge, wäre genau das der richtige Weg. Immerhin verdienen Sweeney & Co. ihre Brötchen durch Engine-Lizenzierung. Dass sie als Mit-Ingenieure des Blockbuster- und High-Performance-Marktes regelmäßige Technik-Updates schätzen, verwundert daher kaum. Sweeney glaubt außerdem, dass beim klassischen Marktmodell – nach dem wir alle paar Jahre die alte Generation zugunsten einer neuen vollständig über Bord werfen – zu viele ehemals treue wie teure User auf der Strecke bleiben.

    Digitale Seelenwanderung

    Nach Sweeneys These besteht die Identität eines in sich geschlossenen Spielesystems also nur noch in seiner Benutzeroberfläche, seiner ureigensten "Usability" und dem daran angeschlossenen digitalen Ökosystem. Computer-Besitzer leben schon lange in dieser Realität: Sie emigrieren ihre Software-Bestände mit schöner Regelmäßigkeit von einem PC oder Mac zum nächsten – zum Beispiel indem sie einen neuen Rechner aus einem alten Back-up wiederherstellen oder schlicht eine altgediente Festplatte neu verbauen.

    Das hat ein bisschen was von digitaler Seelenwanderung oder Organverpflanzung. Allerdings gibt es auch hier hin und wieder so etwas wie Fortschrittsverweigerung. Nämlich dann, wenn ein großer Betriebssystemwechsel ansteht. "Windows 10? Nee, bleib mir bloß weg damit!"

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