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Special - Die Anti-Grafik-These : Aussehen ist nicht alles

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    Der Spruch „Grafik ist nicht alles“ bedeutet also im Grunde genau das, was er meint: Grafik ist ein wichtiger Grundbaustein jedes Spielerlebnisses – aber nicht alles, worauf es ankommt. Doch als Schlachtruf in Online-Communitys und Grafikdebatten verändert sich seine Bedeutung: „Ist nicht alles“ meint hier auf einmal so viel wie „spielt keine Rolle“. Tatsächlich steigt beziehungsweise sinkt die Wichtigkeit einer gekonnten visuellen Inszenierung aber mit dem jeweiligen Spiel-Genre.

    Denn Spiel-Genres sind weit mehr als schlichte Aktenreiter, mit denen Spielehändler ihr Angebot sortieren können: Obwohl die Grenzen zwischen ihnen in den vergangenen Jahren immer mehr verschwimmen, haben sie noch immer das Zeug dazu, die DNA eines Spiels zu definieren, Zweck und Absicht hinter der jeweiligen Produktion einzugrenzen und die Verteilung des Projekt-Budgets und seiner übrigen Ressourcen festzuzurren. Was wird entwickelt? Ein Multiplayer-Shooter vielleicht? Dann stehen Faktoren wie Spielbalance, Server-Stabilität und Matchmaking im Vordergrund. Denn Mehrspielertitel definieren sich über die Zielsetzung „kompetitives Gameplay“.

    Ähnliches gilt für fast alle Spiele, in denen es primär darum geht, die eigene Spielkompetenz zu beweisen. Hierunter fallen auch Titel wie Dark Souls oder Bloodborne, die den Spieler vor fast unmenschlich schwere Herausforderungen stellen. Gleichzeitig fallen diese Titel aber auch in Design-Kategorien, die Entwickler als „Fantasy“ und „Games as a make believe“ bezeichnen. Auf gut Deutsch: Es geht darum, den Spieler in eine andere Welt eintauchen zu lassen – und die soll so immersiv wie möglich gestaltet sein.

    Darum verwenden Studios wie die polnischen Witcher-Macher von CD Projekt RED auch so viel Energie auf die glaubhafte Ausgestaltung ihrer gigantischen Spielplätze: Kosmen wie die aus Witcher 3 oder Fallout 4 sind als digitale Parallelwelten ausgelegt, in denen der Spieler Monate oder gar Jahre verbringen kann – bis hin zu dem Punkt, an dem er sich dort ähnlich heimisch fühlt wie in der Realität. Der hierfür erforderliche Wohlfühlfaktor wird zu einem wesentlichen Bestandteil von der visuellen Darstellung gesteuert: In der fantastischen Fantasy-Welt von Hexer Geralt sind es von flauschigen Tannen bestandene, malerische Anhöhen und lebendig gestaltete Siedlungen, die den Spieler immer wieder zur Rückkehr verführen.

    In Fallout 4 dagegen ist der Fall ein wenig anders gelagert: Technisch und visuell ist das Vorzeigerollenspiel von Bethesda nicht ganz auf der Höhe – dafür bedient es sich eines anderen Kniffs, um die Immersion zu steigern. Es verquickt den klassischen Rollenspielfaktor „Heimstatt“ mit der Do-it-yourself-Methodik eines Minecraft. Das Ergebnis sind wunderschöne Selfmade-Siedlungen, die mit einigen Community-Kniffs und Mods bis zu regelrechten Großstädten ausgebaut werden können. Und wohin kehrt man lieber zurück als in eine Heimat, der man den eigenen Stempel aufgedrückt hat?

    M. D. A.

    Was die visuelle Präsentation angeht, fällt Fallout 4 eher in die Methodik des bekannten und vielfach angewendeten „M.D.A.“-Design-Dokuments: „M“ steht für „MECHANICS“, „D“ für „DYNAMICS“ und A definiert schließlich den Faktor „AESTHETICS“ – also die grafische Gestaltung eines Spiels. Zusammengefasst geht es darum, die Dreh- und Angelpunkte einzugrenzen, die ein Spielerlebnis genussvoll werden lassen. Die MECHANISMEN entscheiden darüber, wie unterschiedliche Spielobjekte und -akteure miteinander in Interaktion treten. Für den Spieler spürbar werden diese Mechanismen erst, wenn er selbst in das Geschehen eingreift – hieraus ergibt sich dann die DYNAMIK des Spiels.

    Alle drei Faktoren – also „MECHANICS“, „DYNAMICS“ und „AESTHETICS“ – werden nach Wahrnehmungsebenen gestaffelt: Die MECHANISMEN spielen sich hinter der visuellen Oberfläche des Spiels ab, sie sind für uns unsichtbar. Die von den MECHANISMEN mitbestimmte DYNAMIK wiederum ist zwar durch den Spieler erfahrbar – nicht aber von einem außenstehenden Betrachter. Also jemandem, der sich auf der Couch daneben lümmelt und dem Spielgeschehen nur passiv beiwohnt. Für ihn sichtbar sind dagegen die AESTHETICS, die auf der äußersten Wahrnehmungsebene des M.D.A.-Modells angesiedelt sind.

    Für denjenigen, der bereits aktiv am Spielgeschehen teilnimmt, zählen also vor allem das „M“ und das „D“: Das „Flow“-Erlebnis des Titels, seine Balance, die Lernkurve – all das spielt sich zwischen diesen beiden Bausteinen ab. Sie entfalten ihre Wirkung, wenn sich der Spieler bereits dazu entschlossen hat, in die andere Welt abzutauchen. OB er sich allerdings auf dieses Tauchmanöver einlässt, das wiederum wird maßgeblich durch die AESTHETICS bestimmt: Sie helfen dabei, das zu senken, was Hersteller und Entwickler „Einstiegshürde“ nennen. Grob gesagt: Schicke Optik steigert die Begehrlichkeit – aber die perfekte Balance zwischen den einzelnen Design-Komponenten, die sorgt dafür, dass der Spieler auch in der anderen Welt verweilt.

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