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Special - „Killerspiele“ unter Beschuss : Special

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Und wieder ein Amoklauf im gepflegten, ruhigen Deutschland. Und natürlich werden sofort wieder die Schreie nach einem Verbot von so genannten Killerspielen laut seitens Politik und Medien. Doch ist es wirklich so einfach? Verhindert ein Verbot künftige Amokläufe? Wohl kaum ...

BÄM! Und wieder ein Amoklauf im gepflegten, ruhigen Deutschland. Und natürlich werden sofort wieder die Schreie nach einem Verbot von so genannten Killerspielen (im Folgenden der Einfachheit halber „Killerspiele“ genannt) laut, der ewige Zyklus aus Schuldzuweisungen und Polemik wird wieder losgetreten, nachdem man sich gerade erst von den Erfurt-Folgen erholt hat. Wasser auf die Mühlen der ewigen Polemiker und Spiele-Hasser, die sich erneut in ihren unbewiesenen Theorien bestätigt fühlen unter dem Motto "Ich hab's ja schon immer gesagt" – der nächste Frontal-21-Bericht dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Klar auch, dass unsere Schlagzeilen-Pamphlete der Boulevard-Presse gleich wieder mit Killerspielen in zehn Zentimeter hohen Buchstaben herumprangern. Und wieder werden in den nächsten Wochen unbewiesene Theorien, schlecht recherchierte Meinungsmache und hilflose Versuche politischer Agitation darum ringen, einen Schuldigen zu suchen. Natürlich sind es wieder die Videospiele, die an allem Schuld sind. Keine Lobby, keine Ausreden, keine Beweise, aber das interessiert ja eh keinen – die perfekte Zielgruppe für den ach so nötigen Sündenbock, um von den wahren Ursachen, den sozialen Probleme und den allgemein vorhandenen Missständen in der Gesellschaft abzulenken und somit zumindest für eine kurze Weile das schlechte Gewissen zu beruhigen.

Diskussion um Killerspiele
Günther Beckstein – Killerspiele wie Kinderpornographie behandeln?
CDU-Landtagsabgeordneter Schünemann will gar die USK abschaffen und das Ganze unter staatliche Fittiche nehmen. Den absoluten Vogel schießt allerdings wieder einmal Herr Beckstein ab, ohnehin bekannt für sein Wettern gegen Computer- und Videospiele. Der fordert sogar, dass „Killerspiele in der Größenordnung von Kinderpornographie eingeordnet werden, damit es spürbare Strafen gibt“. Pixeljagd auf einer Stufe mit dem Missbrauch realer Menschen? Wie weit sind wir gekommen? Muss man sich als Anhängern von Ego-Shootern wirklich derartig kriminalisieren lassen? Wobei noch anzumerken ist, dass gerade die Themen Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung in den Medien auf weitaus kleinerer Flamme gekocht werden, obwohl diese Taten noch weitaus verachtungswürdiger sind als ein Amoklauf – wohl weil Politik und Medien noch keinen passenden Sündenbock für diese Art von Taten gefunden haben.
Diskussion um Killerspiele
84% der 2005 geprüften Spiele sind für Spieler unter 16 tauglich, nur 4% ab 18 eingestuft.
Deutschland ist in Bezug auf die Altersklassifizierung von Videospielen eines der (wenn nicht sogar das) am strengsten reglementierten Länder weltweit. Wir haben mit der USK eine (mehr oder minder) unabhängige Prüfstelle, die in 99 Prozent aller Fälle passende Altersvorgaben für Videospiele erstellt, die für den Handel bindend sind. Klar kann man sich in Einzelfällen darüber streiten, wie sinnvoll die Freigaben im Hinblick auf die Inhalte sind. Ein 'GTA Vice City' mit "ab 16 Jahren" zu bewerten, ist sicherlich diskussionswürdig. Hinzu kommt die BPjM, die wiederum die Möglichkeit hat, unklassifizierte Spiele (die Jugendlichen unter 18 Jahren ohnehin nicht zugänglich gemacht werden dürfen) zu indizieren, sprich Werbung in jedweder Form zu untersagen und den Verkauf an Minderjährige zu unterbinden. Die Einhaltung dieser Maßgaben obliegt wiederum zum einem dem Handel, zum anderen den Erziehungsberechtigten, die im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht dafür Sorge tragen müssen, dass ihren Sprösslingen entsprechende Produkte außerhalb der Altersfreigaben nicht zugänglich gemacht werden, und auch mal einen prüfenden Blick darauf werfen sollten, mit was sich Junior am heimischen Rechner eigentlich beschäftigt.
Counter-Strike
Immer wieder ein beliebtes Opfer – der Klassiker 'Counter-Strike'.
Und da stoßen wir schon auf die erste große Lücke im System. Wie viele Eltern kümmern sich denn wirklich darum, was ihr Nachwuchs am heimischen Computer so treibt? Hier kommt der vielfach genutzte Begriff der Medienkompetenz zum Tragen, die sich in Deutschland bestenfalls ansatzweise erkennen lässt – zum Teil weil viele Eltern schlicht überfordert und den Umgang mit neuen Medien nicht gewohnt sind, zum Teil weil Eltern keine Instrumente und keine Aufklärung geboten werden und zum Teil schlicht aus Desinteresse. Sorry, liebe Eltern, aber wer sich, auf gut Deutsch gesagt, einen Scheiß darum kümmert, was der Nachwuchs in der Freizeit treibt, ob sich auf seinem Rechner das zu Recht indizierte 'Postal 2' tummelt oder der Sohnemann acht Stunden pro Tag am Rechner sitzt, der hat schlicht und einfach seine Aufsichtspflicht nicht erfüllt. Die Überprüfung und die gesetzlichen Vorgaben für den Jugendschutz sind da, nur was helfen alle Vorgaben und Verbote, wenn sich ohnehin nur ein Bruchteil der für die Einhaltung Verantwortlichen auch wirklich darum kümmert? Wenn ein 14-Jähriger ein nicht für sein Alter freigegebenes oder gar indiziertes Spiel im Übermaß spielt, dann hat nicht die USK versagt, auch nicht die BPjM und auch nicht der Gesetzgeber, sondern einzig und allein die Erziehungsberechtigten. Aber das ist natürlich nicht populär, immerhin könnte man mit solchen Aussagen ja Wähler vergraulen, wo es doch einfacher ist, die Verantwortung einem Sündenbock aufzudrücken, sich ein ruhiges Gewissen zu verschaffen und auch noch ein paar Wählerstimmen einzusacken dank massentauglichem Aktionismus und der netten Zugabe einer Ausrede ("Nicht ich bin schuld, dass mein zwölfjähriger Sohn zehn Stunden pro Tag 'Counter-Strike' zockt, sondern der böse Hersteller des Spiels. Gott sei Dank hab ich nichts verkehrt gemacht").

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