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Test - Bioshock: The Collection : Zweieinhalb Shooter-Meisterwerke für Switch

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Als Bioshock im Jahr 2007 erschien, glaubte im Vorfeld kaum jemand daran. Bereits der Quasi-Vorgänger System Shock hatte das Schicksal eines typischen Kritikerlieblings erlitten, dem der finanzielle Erfolg trotz Lobeshymnen versagt blieb. Zu außergewöhnlich schien der künstlerisch ambitionierte Look, zu eigensinnig das Setting einer abgeschiedenen Unterwasserstadt, zu verkopft der sozio-philosophische Hintergrund, zu merkwürdig manch spielerisches Element wie die kleinen Mädchen, die von ihren Roboterbegleitern gerettet werden mussten. Noch dazu erschien es in einem Jahr, in dem die Shooter-Konkurrenz mit namhaften Titeln wie Crysis, Halo 3 und Call of Duty: Modern Warfare geradezu übermächtig wirkte. Zum Glück irrten wir damals alle …

Als Spieleentwickler Ken Levine das erste Mal New York besuchte, muss das ein prägendes Erlebnis für ihn gewesen sein. Die Skyline von Manhatten mit ihren majestätischen Wolkenkratzern erstmals aus nächster Nähe zu betrachten, hat einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen. Diese Erfahrung wollte er dem Spieler von Bioshock beim ersten Anblick der beeindruckenden Unterwasserstadt Rapture vermitteln.

Deren Design bildet auch heute noch eines der hervorstechendsten Merkmale des Spiels – mittlerweile oft kopiert, aber nie erreicht. Auch zu dem ikonischen 50er-Jahre-Art-déco-Look ließ sich Levine übrigens von einer New-York-Reise inspirieren: Als er zusammen mit seiner Frau das berühmte Rockefeller Building besichtigte, war er so fasziniert von dessen Architektur, dass er spontan die Kamera zückte und jedes Ornament, jede verschnörkelte Säule und sogar Türknäufe und Inneneinrichtung fotografierte.

Lange Zeit hatten er und seine Grafiker über das Aussehen von Rapture gebrütet. Auf keinen Fall sollte es nach der typischen Raumstation mit metallenen Wänden, Bildschirmen und Schleusen wie in einem U-Boot wirken, wie man sie schon Dutzende Male in Film und Spiel gesehen hatte. Bioshock sollte etwas Besonderes, etwas Einzigartiges darstellen, dem man den zutiefst philosophischen Hintergrund der Spielwelt auch äußerlich ansehen sollte.

Mit diesen Überlegungen im Hinterkopf erschließt sich der sensationelle Einstieg des Spiels nochmal auf einer ganz neuen Ebene. Die erste Stunde in Rapture dürfte für jeden Spieler wohl schon allein aufgrund der Inszenierung in lebhafter Erinnerung geblieben sein: Der Flugzeugabsturz in der Nähe des Leuchtturms, die Fahrt mit dem Tauchboot durch die neonlichtdurchfluteten Häuserschluchten der beeindruckenden Unterwasserstadt, der Angriff des ersten Splicers, der wie das Monster in einem Horrorfilm versucht, sich den Weg durch die Stahltür zu fräßen, die erste Begegnung mit dem Big Daddy und der Little Sister, die mit einer riesigen Spritze einer Leiche das Blut abzapft …

Spiel als Kunstwerk

Bioshock ist ein Meilenstein der Spielegeschichte, nicht nur wegen seines einzigartigen Looks und der Atmosphäre, sondern vor allem auch seiner für ein Action-Spiel unerreicht intelligenten Geschichte. Der Handlungsort Rapture entspricht nicht dem typischen Klischee von einem Geisterschiff, einer verlassenen Raumstation oder einsamen Insel, auf der die Monster ausgebrochen sind, es ist ein soziologisches Experiment, eine wahr gewordene Utopie, in der ein Größenwahnsinniger seine Vision von der absoluten Anarchie den etablierten historischen Modellen von Kapitalismus, Sozialismus und Religion entgegenstellt – und die sich aufs Schlimmste zur Dystopie verkehrt hat.

Bis heute zählt der völlig überraschende Story-Twist des Spiels zu den denkwürdigsten Momenten der Spielegeschichte, weil er das Verhältnis des Spielers zur fiktiven Welt des Spiels auf einer Metaebene reflektiert, wie man es vorher nicht für möglich gehalten hätte und wie es nur ein Spiel, aber kein anderes Medium vermag. Wer je daran gezweifelt hat, dass Spiele Kunst sein können, der wurde von Bioshock eines Besseren belehrt.

Doch auch spielerisch setzte Bioshock seinerzeit Maßstäbe. Während Shooter das Erlebnis des Spielers zur damaligen Zeit recht eng führten, durch lineare Level und eindeutige Vorgaben, suchte Bioshock sein Heil in spielerischer Freiheit und der Lust am Erkunden. (Umso bemerkenswerter fällt unter diesem Gesichtspunkt im Übrigen der gewiefte Story-Twist aus.) Das Kampfsystem bot zahlreiche taktische Möglichkeiten beim Einsatz der Plasmid-“Zauberkräfte“, und die verzweigte Architektur von Rapture belohnte Spieler, die auch Pfade abseits der Hauptstraße durchstöberten, erst recht wenn sie mit neuen Fähigkeiten an bereits besuchte Orte zurückkehrten, an denen sich plötzlich neue Wege öffneten, die vorher verschlossen waren – weil etwa der Feuer-Zauber zum Schmelzen einer vereisten Tür fehlte. Heute würde man von „Sandbox“ und „Metroidvania“ sprechen. Zu Zeiten von Bioshock existierten diese Begriffe nicht einmal, genauso wenig wie die Mode, zu der sie mittlerweile geronnen sind.

Gleichwohl trägt Bioshock mit seinen 13 Jahren beinahe zwei volle Spielegeneration auf dem Buckel, die nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind. Auch wenn die Grafik immer noch in Ordnung geht, wirken der Plastik-Look der Unreal Engine 3, die simplen Lichteffekte und kantigen Objekte im Jahr 2020 nur mit zugekniffenem Auge noch halbwegs zeitgemäß. So originell und berauschend der Look anfangs zweifellos sein mag, nutzt er sich mit der Zeit merklich ab, weil Rapture trotz sichtlichem Bemühen der Entwickler um Abwechslung doch an jeder Ecke irgendwie gleich aussieht.

Auch beim Gameplay muss man die eine oder andere Kleinigkeit in Kauf nehmen, die man einem Spiel von heute vermutlich nicht mehr so offenherzig durchgehen lassen würde: das auf Dauer eintönige Minispiel beim Hacken etwa, das nervtötende Fotografieren der Gegner, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern, und das ständige Einsammeln von Tinnef, das dafür sorgt, dass man die an und für sich fantastisch entworfene Spielwelt immer weniger als solche wahrnimmt, sondern nur noch nach blinkenden Gegenständen Ausschau hält, was der Atmosphäre nachhaltig schadet. Mehrfach fiel mir auf (auch in den Nachfolgern), wie ich in dramatischen Situationen, in denen ich eigentlich jemandem schnell zur Rettung eilen sollte oder das Spiel auf andere Weise dramatische Dringlichkeit behauptete, erstmal innehielt und stattdessen Schreibtische und Schränke nach Münzen und Snacks durchstöberte. Immersion kaputt ...

Bioshock 2: der unterschätzte Copy-&-Paste-Nachfolger

Böse Zungen behaupten, der ebenfalls in der Collection enthaltene Nachfolger böte lediglich nochmal mehr oder weniger das Gleiche wie sein Vorgänger. Weitgehend mag das hinkommen, doch lässt man dabei schnell mal außer Acht, dass Bioshock 2 trotz aller offensichtlichen Ähnlichkeiten deutlich vielschichtigere taktische Möglichkeiten auffährt und vor allem die ausgefeilteren und bewegenderen Nebengeschichten erzählt – so erhält der Spieler unter anderem eine ebenso verstörende wie bezaubernde Erklärung dafür, warum die Little Sisters die Leichen, die sie aussaugen, als „Engel“ bezeichnen.

Seine Akzente setzt Bioshock 2 vor allem durch die gegenläufige Prämisse zum Vorgänger: Diesmal spielt ihr einen Big Daddy, der in den Kampf gegen diejenige Person zieht, wegen der Rapture einst ins Chaos stürzte. Erneut ist der Weg zum Finale gepflastert mit einer ideologischen Diskussion, die aber weder an die Tiefe des Vorgängers heranreicht, noch natürlich dessen brillante Wendung wiederholen kann. Dafür verfügte es aber im Gegensatz zu diesem endlich über einen Multiplayer-Modus, den nur leider damals schon kaum jemand gespielt hat und der darum in der Switch-Fassung gestrichen wurde.

Bioshock Infinite – wow, ist das immer noch gut!

Angesichts der vielen kleinen, aber doch merklichen Spuren im Sand der Zeit, die die Vorgänger dort hinterlassen haben, geriet ich regelrecht atemlos bei der Erkenntnis, wie gut der dritte Teil gealtert ist – erst recht auf Konsole, wo die Controller-Steuerung im Vergleich zum Vorgänger deutlich runder ausfällt und sich nahezu perfekt anfühlt. Bioshock Infinite wischt auch heute noch mit den meisten aktuellen Shootern den Boden auf. Und das abermals nicht nur spielerisch, sondern auch visuell und inhaltlich. Wer hätte ernsthaft erwartet, dass Ken Levine die Wucht des Story-Twist-Paukenschlags aus dem ersten Teil noch einmal erreichen, vielleicht sogar übertreffen könnte?

Statt in die klaustrophobische Enge und Düsternis auf dem Meeresgrund geht es diesmal in die fliegende Stadt Columbia, die als Utopie eines christlich-konservativen Amerikas erbaut wurde. Die Bürger von Columbia glauben an die Heilsversprechen eines „Propheten“, der ihnen das Paradies auf Erden weissagt, solange sie ihm bedingungslose Treue schwören. Columbia ist die trügerische Verheißung eines Idylls, das nur aufrecht erhalten werden kann, wenn jeder nach den Regeln spielt – die notfalls mit Ausbeutung und Gewalt durchgesetzt werden. Wer Bioshock Infinite dieser Tage durchspielt, erkennt darin beklemmende Parallelen zum aktuellen Zeitgeschehen.

Als ihr in der Rolle von Booker DeWitt am Handlungsort eintrefft, wirkt der Anblick wie das genaue Gegenteil von Rapture: hell, bunt, freundlich. Majestätische Statuen überragen die schwebenden Inseln, die Sonne wirft ihre sanften Strahlen durch die Wolken, und die Menschen feiern ein Volksfest mit Tanz, Musik, Luftballons und Zuckerwatte. Doch dann bricht die Hölle los, und jeder Einwohner von Columbia macht Jagd auf euch.

Elizabeth, die junge Frau, wegen der ihr hier seid, um sie zu retten (oder zu entführen?), bildet den eigentlichen Geniestreich von Bioshock Infinite und kann mit Fug und Recht als stilbildend für sämtliche Sidekicks der jüngeren Spielegeschichte gelten, ohne die es vermutlich weder das Gespann Kratos/Atreus in God of War, noch eine jugendlich starke Frauenfigur wie Amicia in A Plague Tale: Innocence in dieser Form je gegeben hätte.

Liebenswert und unschuldig, aber dennoch auf moderne Weise selbstbewusst und keck, gleichzeitig verspielt und doch willensstark, schafft sie es, den Beschützerinstinkt im Spieler zu wecken, wo sie einen Beschützer im Grunde alles andere als nötig hat. Denn Elizabeth verfügt über Kräfte, mit denen sie zwischen parallelen Quantendimensionen reisen kann – was das Raum-Zeit-Gefüge schon bald auf irreparable Weise beschädigt und in eine Geschichte mündet, die vermutlich als die beste gelten darf, die je ein Shooter erzählt hat.

Ziemlich genau sieben Jahre liegt die Veröffentlichung von Bioshock Infinite zurück. Umso erstaunter war ich beim erneuten Durchspielen, dass das Spiel, abgesehen von zwangsläufigen technischen Abstrichen, um keine Sekunde gealtert scheint, als habe es Elizabeth persönlich durch einen ihrer Zeitrisse in die Zukunft geschickt. Im Vergleich zum mitunter etwas überladen wirkenden Vorgänger wurde Infinite spielerisch auf angenehme Weise entschlackt, fällt zwar deutlich linearer aus und weniger ausschweifend beim Erkunden, ist dadurch aber weitaus straffer inszeniert und bringt so seine Geschichte effektiver zur Entfaltung. Während der erste Teil passend zu seinem Unterwassersetting in dieser Hinsicht schlussendlich nur noch ausplätscherte, schwingt sich Infinite gegen Ende in erhabene Höhen seinem furiosen Finale entgegen, das erst kürzlich in unserer Top 10 der größten Mindfuck-Momente der Spielegeschichte völlig zurecht einen der obersten Plätze erklomm.

BioShock: The Collection - Nintendo Switch Trailer - What’s Included

BioShock: The Collection gibt es nun auch für die Nintendo Switch, dieser Trailer zeigt euch was alles in der Version erhalten ist.

Vor allem die Lichtstimmung, die das Spiel auf den großen Konsolen vortrefflich zu inszenieren wusste und aus der es einen Großteil seiner visuellen Pracht bezieht – das Sonnenlicht, das durch die Wolken oder die Buntglasfenster einer Kirche bricht, die Blitze, die wirken, als kämpfe diese Welt aus den Fugen in ihren tiefsten Eingeweiden mit den eigenen Naturgesetzen – kann die Switch nicht in gleicher Qualität vorweisen. Abgesehen von derlei technischen Einschränkungen wie auch der mangelnden Kantenglättung und niedrigeren Auflösung ist gegen diesen Port eigentlich nicht das Geringste einzuwenden.

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