Test - The Walking Dead : Der Wahnsinn geht weiter
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Telltale lässt uns ganz schön zappeln. Es ist schon eine Weile her, dass die zweite Episode der zweiten Season uns in den Bann zog. Umso größer die Freude, als endlich die Fortsetzung über unseren Bildschirm flimmerte. Wer glaubte, dass Telltale so langsam die Puste ausgeht, der sieht sich getäuscht. In Harm's Way ist ein furioses Kapitel, das wohl zum Besten gehört, was die Entwickler uns bisher beschert haben.
Wie fasst man die Handlung zusammen, ohne allzu viel zu verraten? Wir befinden uns mit den Überlebenden der zweiten Episode auf dem Weg zum Camp von Bill Carver, der nicht gerade die positivsten Erinnerungen hinterlassen hat. Er verfolgt eiserne Regeln und setzt diese gnadenlos durch. Die Figur Bill Carver ist ein Geniestreich der Entwickler, kein Walker kann so viel Furcht und Unbehagen erzeugen wie diese extreme Persönlichkeit, und das bekommen wir zu jeder Sekunde zu spüren. Geradezu meisterhaft gelingt es Telltale, diese Person in den Vordergrund zu stellen, für Emotionen zu sorgen und uns jede unserer Entscheidungen, die wie immer unter Zeitdruck getroffen werden müssen, vorher und nachher hinterfragen zu lassen.
Akzeptieren wir die vermeintliche Sicherheit? Wem können wir trauen? Selbst die Figuren, die wir an unserer Seite haben, wecken immer wieder Misstrauen aufgrund ihrer emotionalen Zerrissenheit. Lebte die erste Staffel noch von dem Zusammenspiel zwischen Lee und Clementine, so werden wir hier der Ungewissheit ausgesetzt. Selbst alte Bekannte erscheinen dubios, Unbekannte hingegen manchmal wie die bessere Alternative, um in dieser Welt der Extreme zu überleben. Welche Konsequenzen haben unsere Entscheidungen? Wer wird sterben, weil wir nicht A, X oder B sondern Y gedrückt haben? Ist Geduld die bessere Tugend oder die schnelle Entscheidung? Wir erleben, dass Clementine an den Entscheidungen wächst, das einst verängstigte Mädchen wandelt sich immer mehr und zeigt neue Facetten.
In dieser Episode türmen sich die Probleme zu einem Berg auf, der kaum zu bewältigen ist. Die Verzweiflung der Kameraden, die riesige Horde der Walker rund um das Camp, dazu noch Carver, die Ungewissheit, das Misstrauen. Mehr denn je spielt Telltale mit unseren Emotionen, wirft uns in Situationen, in denen uns keine Zeit bleibt, unsere Ratlosigkeit zu überdenken. Wir sind hin und her gerissen zwischen dem eigenen Überleben, der Fürsorge für die vielleicht schwächeren Mitglieder der Gruppe und den kaum einzuschätzenden neuen Gesichtern, die durchaus für Überraschungen sorgen. In Harm's Way ist fesselnd, emotional packend, spannend. Und das, obwohl wie gewohnt nur wenige spielerische Elemente geboten werden, abgesehen von den üblichen Quick-Time-Aktionen, die nicht schwer zu bewältigen sind.
Wir können in den knapp zwei Stunden den Controller nicht aus der Hand legen. Zu packend ist das Geschehen, zu schön sind die Kameraperspektiven. Atemlos lauschen wir der Stimme von Bill Carver, großartig gesprochen von Michael Madsen. Wir versuchen zu ergründen, wer Freund ist und wer Feind. Wer uns das Überleben sichern kann, wer vielleicht geopfert werden kann. Wer Stärken hat, die uns helfen, und wer Schwächen zeigt, die uns behindern. Immer umgeben von dieser Ungewissheit, ob unsere Entscheidungen nicht katastrophal für die Personen enden, die uns vielleicht am nächsten stehen. Bis hin zum furiosen Finale, das uns einmal mehr mit einem dicken „Heilige Scheiße!“ vor dem Bildschirm sitzen lässt.
In diesem Moment ist es uns egal, dass auch diese Episode kaum spielerische Elemente hat. Dass unser Versagen nur von einem Ladebildschirm bestraft wird. Dass die Szenenwechsel mitunter etwas plump sind und auf der Konsole immer wieder mal kleine Ruckler und holprige Ladephasen auftauchen. Wir schütteln unsere Gänsehaut ab und wissen, dass diese Episode Szenen hat, die wir so schnell nicht vergessen werden. Welches andere Spiel kann das schon bieten?
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