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Special - Kommentar: Knack mich! : Warum Spiele Highscores brauchen

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Es gibt Videospiel-Elemente, die seit Beginn der Gaming-Kultur dazugehören und gewissermaßen die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten von Spielen festgelegt haben. Neben dem Game-over, über das wir an anderer Stelle schon einmal laut philosophiert haben, gibt es noch ein weiteres Feature, das Millionen Gamer in ihrem Spielverhalten geprägt hat: der Highscore.

Highscores sind, je nach Können des Spielers, Fluch oder Segen: Wer wochenlang auf einen Rekord hintrainiert und ein Spiel dermaßen verinnerlicht, dass er es im Schlaf auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad meistern kann, für den ist das Erreichen der Spitze der Rangliste vielleicht schöner als das Bundesverdienstkreuz am Bande. Wer dagegen trotz exzessiven Zockens nicht über die unteren Plätze der Tabelle hinauskommt, wird statt Lorbeeren nur Augenringe ernten und die blöden Highscores schlussendlich verfluchen.

Doch so oder so zeigt das Ganze, wie es tief in unserem Innersten aussieht: Indem es darum geht, besser zu sein als alle anderen, offenbart sich doch wieder einmal die wahre Natur des Menschen. Wir können gar nicht anders, wir müssen unbedingt immer noch eins draufsetzen - das letzte Wort haben, das dickere Auto fahren, die hübschere Flamme abkriegen, das bessere Zeugnis bekommen oder eben die höhere Punktzahl ergattern. Und der Gebrauch des Komparativs weist auch direkt auf einen wichtigen Umstand hin: Um besser als jemand sein zu können, muss es erst einmal jemanden geben, mit dem man sich messen kann. Sprich: kein Gegner, kein High Score - es sei denn, man will sich ständig selbst übertreffen.

Gut, heutzutage dürfte es dank Online-Modi in den meisten Titeln kein Problem sein, Gegenspieler zu finden. Doch wer bereits ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, wird sich sicherlich an Zeiten erinnern können, in denen es weder Online-Matches gab noch die Möglichkeit, Konsolen ans Internet anzuschließen. Ganz zu schweigen von der Zeit, als es das Internet noch gar nicht gab. Und doch gehört der Highscore von Anfang an zum Gaming dazu.

Übernommen wurde das Prinzip nämlich von einem Gerät, das in Spielhallen meist unmittelbar neben den Arcade-Automaten steht: dem Flipper. Wer hier den Punkterekord knackt, darf sich ehrenvoll in die Rangliste eintragen, und zwar mit exakt drei Buchstaben. Vergleicht man die ersten Gamer-Pseudonyme mit den Nicknames heutiger E-Sportler, zeigt sich eigentlich das gesamte Ausmaß der Highscore-Evolution. Denn genauso wie heute schier endlose Zeichenketten inklusive Clan-Tag und Sponsor das Pendant zu einst schlichten Akronymen wie JAC, DTC oder TOM sind, so hat sich auch die Kultur des Besser-Spielens gewandelt.

Machen wir einmal den direkten Vergleich und bleiben bei unserer Flipper-Maschine. Nachdem man stundenlang die Buttons links und rechts malträtiert und ein kleines Vermögen an Münzen eingeworfen hat, ist irgendwann der große Moment da: Der Automat gibt eine wilde Mischung von Dudel-Sounds von sich, blinkt wie verrückt und lässt euch feierlich eure drei Buchstaben eingeben. Nun soll die Welt also bis in alle Ewigkeit sehen können, dass Ihr ein Pinball-Gott seid - oder eben so lange, bis entweder jemand den Stecker zieht (denn dann werden die Rekorde gelöscht) oder jemand anders daherkommt und es einfach noch besser macht. Die Sau.

Auch dann gibt es wieder zwei Möglichkeiten: Entweder ihr erwischt den Kerl in flagranti, wie er an eurem Flipper steht und euren Highscore überbietet, oder - was vielleicht noch schlimmer ist - ihr müsst einfach eines Tages drei andere Lettern über den euren entdecken und werdet nie erfahren, wer dieser anonyme Typ ist, der tatsächlich noch krasser drauf ist als ihr. Heutzutage haben wir solche lokalen Rivalitäten in einem recht überschaubaren Konkurrentenkreis längst hinter uns gelassen und stürzen uns online ins Getümmel.

Bei jedem Multiplayer-tauglichen Spiel sind gleich mehrere Server vorhanden, auf denen man gegeneinander antreten kann - und selbst wenn das nicht möglich ist, gibt es auch einige Spiele, bei denen man sich zumindest mit seinem Score in einer schier endlosen Tabelle verewigen kann. Doch hat das wirklich einen Reiz? Bei tausenden von Spielern verschwindet Otto Normalzocker doch in der Bedeutungslosigkeit, denn Ruhm und Ehre gebühren weiterhin nur den Top-10-Gamern.

Allerdings stellen wir fest: Trotz allen Fortschritts bleiben auch hier die Besten der Besten in der Regel anonym und geben nicht mehr von sich preis als der Flipper-Gegner. Erst wenn die Spieler auf öffentlichen Turnieren antreten, bekommen sie ein Gesicht - und werden als Helden der World Cyber Games, der ESL oder anderer Computerspielligen wie Popstars gefeiert.

Wer keinen Wert auf derartige Publicity legt, der hat natürlich weitere Möglichkeiten, sein Ego durch Gaming-Erfolge zu pushen. Abgesehen von den offiziellen Tabellen, die Publisher für ihre Spiele anbieten, finden sich im Internet unzählige Seiten, wie etwa Video Game Records (http://www.vgr-fr.com) oder Twin Galaxies (http://www.twingalaxies.com), die als virtuelles Scoreboard dienen. Wer hier eine Platzierung belegen will, muss in der Regel einen Screenshot mit seiner Punktezahl liefern.

Das wird allerdings zum Problem, wenn ein Spiel gar nicht mehr auf das Sammeln von Punkten ausgelegt ist. Früher waren Punkte ein nicht wegzudenkender Bestandteil - selbst bei Spielen wie Super Mario Bros., bei dem nun wirklich alles andere wichtiger war als der Score. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum heutzutage kaum noch Shoot'em-ups produziert werden, die ausschließlich auf Punkte abzielen. Denn aktuelle Titel haben ganz andere Instrumente, um die Langzeitmotivation aufrechtzuerhalten. Seien es Items, Leben, Trophys bei Sony oder Achievements bei Microsoft - Hauptsache, man bleibt dran.

Hier zeigt sich wieder, dass der Mensch eben doch nur von seinen Instinkten geleitet wird. Denn bei genauerem Hinsehen erkennen wir zwei Gruppen von Gamern: Diejenigen, die sich im Kampf mit anderen in Online-Matches, Turnieren und Ranglisten messen, und diejenigen, die lieber allein unterwegs sind und wie bei einer Schnitzeljagd alle von den Entwicklern im Spiel verstreuten Belohnungen entdecken wollen. Und diese zwei Gruppen gab es schon sehr, sehr lange: Sie heißen Jäger und Sammler.

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