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Special - Kolumne: Verwöhnte Spieler : Spiele müssen weh tun

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Als ich vor einiger Zeit mit dem Spieldesigner von 'BattleForge', Volker Wertich, zum Mittag saß, kamen wir auf ein für mich interessantes Thema zu sprechen: Onlinerollenspiele. Wie sich herausstellte, sind Volker und ich leidenschaftliche Fans von 'Everquest', dem ersten Onlinerollenspiel, das eine riesige in 3D gestaltete Welt bot. Sehr schnell kamen wir darauf zu sprechen, dass 'Everquest' dem Spieler extrem viel Geduld und Leidensfähigkeit abverlangte. Heute selbstverständliche Features und Komfortfunktionen waren damals, anno 1999, noch völlig unbekannt und das Spiel funktionierte ganz anders, bot aber, und da waren wir uns einig, wesentlich mehr soziale Aspekte.

Es muss weh tun, sonst ist es kein Spiel

Bestes Beispiel für die Leidensfähigkeit waren die magischen Charakterklassen. Mana war ein wertvolles Gut und es dauerte ewig, bis der Vorrat wieder aufgefüllt war. Aber nicht nur das, denn wenn man meditieren wollte, musste sich der Charakter hinsetzen und das Zauberbuch öffnen. Mehrere Minuten starrte man also in sein Buch und sah nicht, was um einen herum passierte.

Mein erster Charakter war ein Schamane und als Rasse hatte ich einen Barbaren gewählt. Glück im Unglück, wie ich erläutern werde. Schamanen waren allseits beliebt, denn sie konnten ein wenig heilen und mit die besten Unterstützungszauber (Buffs) sprechen. Charaktere waren generell sehr langsam unterwegs, weswegen der Reisezauber „Spirit of Wolf“ sehr beliebt war. Ständig wurde ich danach gefragt. Die Kommunikation unter den Spielern war freundlicher und man kam viel besser ins Gespräch. Es gab sogar Zeiten, in denen ich mich einfach mal in die Anfängerzone stellte und jedem Spieler etwas half. Buffs waren nicht auf Gruppenmitglieder beschränkt. 

Augen zu und durch

Als Barbar hatte ich jedoch einen Nachteil. Menschen haben keine Nachtsicht und in 'Everquest' sind die Nächte extrem dunkel. So dunkel, dass es fast unmöglich war, mehrere Meter vorauszuschauen. Zwerge, Gnome und Elfen hatten es viel besser. Die konnten nachts fast genauso gut sehen wie am Tage. Auch hier half mir wieder die Schamanentätigkeit weiter, denn ich hatte die Nachtsicht im Zauberbuch abgespeichert und konnte mir so immer selbst helfen. Krieger hatten das Nachsehen.

Erst vor Kurzem las ich in unserem Forum, dass einem Spieler die Laufwege in 'Warhammer Online' viel zu lang seien. In 'World of WarCraft' seien die Flugpunkte viel besser verteilt und die Reittiere sehr schnell. Ein bisschen schmunzeln musste ich da schon, denn ich wurde wieder an 'Everquest' erinnert. Flugpunkte gab es dort schon mal gar nicht. Außerdem verkehrte zwischen den zwei Kontinenten nur eine Schiffsroute. Wer das Schiff knapp verpasste, musste rund eine halbe Stunde warten, bis das nächste anlegte! Die Schifffahrt selbst dauerte ungefähr 20 Minuten. Nur Druiden und Zauberer hatten eine schnellere Methode zu reisen. Sie konnten sich und ihre Gruppe zu bestimmten Orten teleportieren. Dafür zahlte man sehr gerne. Taxigebühren in 'Everquest' sozusagen. Reittiere und weiterer Reisekomfort wurden erst viel später implementiert. 

Wo muss ich lang?

Quests sind ein weiteres Thema, bei dem die Spieler heute viel zu verwöhnt sind. Zeichen über den Köpfen der NPCs zeigen an, wenn eine Aufgabe zur Verfügung steht, die Questbeschreibungen sind so verfasst, dass selbst ein Blinder sofort weiß, was Phase ist. In 'Warhammer Online' wird auf der Karte sogar das Gebiet rot markiert. In 'Everquest' war dies natürlich alles ganz anders. Keine Zeichen über den Köpfen und der Text selber war für Adventure-Spieler mit Hang zu Knobeleien geschrieben. Zu der Zeit hatten Fanseiten, in denen die Lösungen veröffentlicht wurden, Hochkonjunktur.

Spawn-Zeiten und Rare Spawns waren ein spannendes Thema. Bis ein Monster neu in der Welt erschien, vergingen gut und gerne 15 Minuten. Bei besonders seltenen Monstern, die auch noch besondere Gegenstände bei sich trugen, dauerte es mitunter zwei Stunden oder länger, denn es geschah häufig, dass ein anderes Monster dort erschien, der so genannte Platzhalter. Ein Freund von mir verbrachte ungelogen drei Tage inklusive Silvester damit, einen bestimmten „Named“ zu campen, um für seinen Wizard an den „Glowing Black Stone“ zu kommen. Ein Stein, der die Manaregeneration verbesserte. Und wir erinnern uns: Mana wiederzubekommen dauerte ewig! Nach drei Tagen freute er sich wie ein kleines Kind. Heute würde man ihn für verrückt erklären.

Zum Abschluss möchte ich das Leveln und Verhalten der Monster ansprechen, denn diese sorgten immer wieder für viel Leid und Tobsuchtsanfälle. Instanzen, in denen ihr eure Ruhe habt, gab es natürlich auch nicht. Stattdessen quetschten sich 80 und mehr Spieler in die Highlevel-Dungeons. Jede Gruppe belegte einen kleinen Teilbereich des Gewölbes. Betrat man nun als neue Gruppe das Dungeon, wurden erst einmal die „Camp-Spots“ abgerufen. „Camp-Check, bitte!“ Im Chat kamen dann prompt die Antworten: „Queen taken.“ „King taken.“ „Djinn camped!“ Super, dachte man sich. Mal wieder nichts frei, also konnte man sich in eine der unbeliebteren Ecken hocken und die 15-Minuten-Spawns abwarten. Der Tank wurde ausgeschickt, um noch ein bisschen mehr aus den Nebenräumen zu holen, aber insgesamt war man mehr mit warten als mit kämpfen beschäftigt. 

"Train to zone!!!"

Ab und zu geschah es, dass eine Gruppe überrannt wurde und zum Zonenausgang flüchtete. „Train to zone!“, wurde im Chat geschrien. Für alle anderen das Zeichen, sich möglichst unauffällig in eine Ecke zu verkriechen, denn gleich würden mehrere Spieler versuchen zu flüchten und eine Meute von Monstern würde sie verfolgen. Na und, werdet ihr jetzt sagen, was geht das einen selbst an? Ganz einfach: Monster kehrten nicht einfach zu ihren Plätzen zurück, ohne auf andere Spieler zu achten. Jeder, der im Weg war, wurde gnadenlos niedergemacht. Nach dem Ableben stand man dann nur mit Unterhosen bekleidet draußen vor dem Dungeon und durfte schauen, wie man sich sein Zeug wiederbeschafft. Das lag nämlich noch drinnen und begann zu schimmeln.

Damals war eben alles ein wenig anders.
Ich will nicht sagen besser.
Nur interessanter.
Irgendwie.

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