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Special - „Shit, I did Videogames ... again“ - Kolumne : Rockstah goes Gaming #6: Die letzten 360(0) Worte

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Hab ich euch eigentlich schon mal erzählt, wie ich damals meine erste Xbox 360 gekauft habe? Nein? Dann scheinen wir uns privat noch nicht oft unterhalten zu haben. Denn wenn mir im echten Leben die Gesprächsthemen ausgehen, habe ich immer das gleiche Repertoire an Geschichten zur Hand. Da gibt es zum einem die „Nacht mit dem Oger“, eine Geschichte wie aus einem Stephen-King-Roman, die von der Nacht erzählt, die ich mit einem dicken Mädchen verbracht habe. Oder die Anekdote, wie ich damals nach einer Bauch-OP nachts mit runtergelassener Hose in das Schlafzimmer meiner Mutter mit den Worten stürmte: „Mutti, mein Penis ist schwarz.“ Dazu gesellen sich verschiedene Kurzgeschichten aus meiner Zivizeit an einer freien Schule in Seligenstadt, da hätte ich nämlich aus Versehen mal fast ein Kind umgebracht. Das war ziemlich witzig.

Zwischen all diesen inzwischen auswendig gelernten und aufwendig inszenierten Erzählungen, die ich mit Choreografien, Dialekten und sogar kleinen schauspielerischen Leistungen für meine Hörerschaft über die Jahre perfektioniert habe, befindet sich auch der besagte 2. Dezember 2005: die Veröffentlichung der Xbox 360 in Europa. Oder in meinem Fall: Darmstadt. Auch wenn ich euch alle diese Geschichten gerne erzählen würde, so bleibt am heutigen Tag nur Zeit für eine. Und da wir nur einige Stunden vor dem Start der Xbox One stehen und für mich damit die Ära einer wunderbaren Konsole zu Ende geht, liegt die Wahl der heutigen Kurzgeschichte quasi auf der Hand. Auch wenn wir bei Gelegenheit noch mal über die Ogerfrau reden müssen.

In den Monaten vor der Veröffentlichung der X360 war ich nicht gerade in meiner Videospielhochphase. Generell war ich zu diesem Zeitpunkt nur wenig Max beziehungsweise das, was später Rockstah formte. Mich interessierten Sport und Diät, die Trennung von meiner damaligen Freundin, das Reinigen und Restaurieren gefälschter Laufwerke. Ich war 21, auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Ab sofort sollte mit Messer und Gabel gegessen werden. Nie wieder Turtles-Figuren auf dem Nachtschränkchen! Keine Porno-JPEGs auf 3,5-Zoll-Disketten mehr! Für ein paar Tage konnte ich mir das tatsächlich vorstellen, ohne dabei zu lachen. Aber es ist eben wie bei Tier von den Muppets: Tier muss trommeln. Und Max: Max muss eben Kind bleiben. Sportautos, schöne Frauen und Geld mögen in Mafia-Filmen große Fantasien wecken, im realen Leben wüsste ich aber ehrlich gesagt nichts damit anzufangen. Das ist was für die schönen, echten Männer. Ich war aber nur die missratene, unförmige, von der Natur in meine Mutter gespuckte Downgrade-Version von dem, was sie Mann nannten. Schnelle Autos würde ich beim Ausparken bereits kaputt machen und schöne Frauen nicht genug befriedigen können. Mein Geld würde ich innerhalb von ein paar Stunden in eine Achterbahn im Garten und einen eigenen KFC in meinem Schlafzimmer investieren. Ich war der geborene Außenseiter und der beste Loser, den die Welt sich wünschen konnte. Ich musste meiner Rolle nicht treu bleiben, mein Wesen würde es schon von ganz alleine tun.

So schnappte ich in einer meiner Pausen im Gang ein Gespräch zwischen zwei Mitarbeitern auf. Man unterhielt sich aufgeregt über die Grafik von irgendeinem neuen Call of Duty. „Das sieht aus wie ein echter Krieg!“ - „Boah, das muss ich sehen. Gibt es das schon?“ - „Nein, aber Videos im Internet!“ - „Ich hab leider kein Internet.“ Bevor wir gleich weitermachen: Ja, liebe Kinder, 2005 war ein neues CoD noch etwas Besonderes. Und ja, nicht jeder hatte Internet. Ihr verwöhnten kleinen Scheißer wisst nicht, wie das ist, 26 Stunden einen mit dem Camcorder aufgezeichneten Kinofilm aus dem Internet zu laden und ihn auf zwei CD-Rohlinge zu brennen, nur um dann zu bemerken, dass die Tonspur spanisch ist. Als man Pornos noch an seiner Mama im Treppenhaus mithilfe von auffälligen Tüten oder Brettspielkartons vorbeischmuggeln musste. Unsere Telefone konnten nur telefonieren. Ihr habt alles. Euer Leben ist fucking perfekt. Und zum Dank beschimpft ihr uns und unsere Mütter via Headset im Mehrspielermodus eines Kriegsspiels, obwohl ihr nicht mal wisst, was die Bundeswehr ist. Danke.

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Ich wurde neugierig und brachte mich in das Gespräch ein. Ich wollte wissen, von was hier die Rede war. „Das ist für die neue Xbox, die bald kommt. Noch nix mitbekommen?“ - „Nein, nicht wirklich. Ist es schon wieder so weit? Wann kommt die?“ - „Anfang Dezember. Aber wird voll schwer, das Teil zu bekommen. Hab gehört, die nehmen schon überall keine Reservierungen mehr an.“ Das war mein Stichwort. Sag mir nur, dass etwas schwer zu bekommen sein wird, und ich setze jeden noch so riesigen Hebel in Bewegung. Das ist so ein Prinzipding. Binnen Sekunden war ich wieder in meinem Element. Ich wollte wieder Videospiele spielen. Noch vor diesen beiden Idioten. Sie waren der Prototyp des späteren FIFA-Gelegenheitszockers. Die Typen, die Grand Theft Auto nicht wegen der Handlung spielen, sondern nur weil das „voll geil ist, Leute totzufahren“. Ich riss das kleine Nokia über die splitternde Arbeitsplatte. „Mama, du hast mich doch letzte Woche gefragt, was ich zu Weihnachten haben möchte? Ich weiß es jetzt.“ König Nerd war zurück.

Ich habe bis heute keine Ahnung, was meine Mutter damals veranstaltet hat, um einen Platz auf dieser dämlichen Reservierungsliste zu bekommen, aber sie bekam ihn. Ich klammerte keine Methode aus, hoffte aber sehr, dass keiner meiner danach fluchenden Mehrspielergegner den in die Anonymität geschrienen Satz „Ich hab deine Mutter gebumst!“ unbewusst ernst meinen könnte. Stattdessen rechnete ich einfach damit, dass Mama wieder, ohne Papa zu fragen, mit Badesalz-Freikarten gedealt und Meet & Greets, die niemals stattfinden würden, an Fremde versprochen hatte. Sie überreichte mir feierlich einen Beleg, der mir garantierte, dass zwei Spiele und eine Konsole bereits bezahlt und am 2. Dezember pünktlich zur Ladeneröffnung abholbereit wären. Man solle nur früh da sein, da man für nichts garantieren könne. Abholort war ein Saturn mitten in der Innenstadt von Darmstadt. Ein Ort, an dem sich ein Rodgauer eigentlich nie aufhält. Aber man musste nehmen, was man kriegen konnte.

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