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Special - „Shit, I did Videogames ... again.“ – Kolumne : Rockstah Gaming #2: Ich bin jetzt auch hier!

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Die Videospiele und ich hatten diesen Sommer silberne Hochzeit. 25 Jahre Zockerei im Hause Nachtsheim. Boah. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass keine meiner Beziehungen mit einer Frau länger als zwei Jahre gehalten hat. Meine Konsolen und ich waren da wesentlich standhafter. So viel erlebt, aber immer noch so verliebt. Da konnte auch keine N64-Cruis'n-USA-Adaption etwas ändern, kein frustrierender Ninja-Gaiden-Controller-an-die-Wand-werfen-Moment, keine Schlägerei-in-Christophs-Zimmer-nach-einer-Golden-Eye-Mehrspielersitzung und selbst die Street-Fighter-Verfilmungen haben uns den Spaß nicht verderben können. Nein, die Gefühle sind nicht totzukriegen. Und dennoch hat sich etwas verändert. Seit knapp acht Jahren hat sich eine widerliche Sucht zwischen uns geschlichen, die unser Verhältnis auf eine perverse Art und Weise intensiviert hat. Crack, das unseren manchmal langweilig gewordenen Sex urplötzlich aufgewertet hat zu einem dreckigen Schauspiel, dem wir uns, egal in welcher Situation, leidenschaftlich hingeben können. Die Rede ist natürlich vom Gamerscore.

Gamerscore hat mein Verhältnis zu Videospielen grundlegend verändert. Ich spiele Spiele, die ich ohne dieses System nie angerührt hätte, und vernachlässige im Gegenzug Spiele, die vielleicht in meinem Universum Klassiker hätten werden können. Ich kaufe Titel, die für mehrere Konsolen erscheinen, ausschließlich für die Xbox und ignoriere weitere Konsolenumsetzungen vollständig. Ich widme mich sogar manchmal Genres, die ich weder mag noch kann. Das Gamerscore-System hat direkt in mein Nervenzentrum geschossen und knüpft da an, wo in den 20 Jahren davor die Ghostbusters, Telefonkarten, Ü-Ei-Figuren, Mighty Max, Wrestling-Karten, Caps, Turtles, Simpsons, Filme, CDs und später auch Sneaker ihren Platz gefunden haben: bei meinem Sammeltrieb. Vielleicht sammelt niemand ignoranter und inflationärer Dinge als ich. In meinem Freundeskreis bin ich bekannt dafür, verrückt zu sein, wenn es um solche Dinge geht. Meine Mutter ist der festen Überzeugung, dass ich dadurch mein Leben verhunzt habe. Und sie hat vollkommen recht.

So lösten die GS meiner ersten Xbox-360-Spiele Ende 2005 einen regelrechten Wahnsinn in mir aus. Die ersten Jahre war es schleichend, dann, als ich drei Wochen in meinem Zimmer in Quarantäne leben musste, weil ich Pfeiffersches Drüsenfieber hatte, explodierte ich. Ich rief einen Blog ins Leben und verpackte der Öffentlichkeit meine Sucht als ein Experiment. Unter der Überschrift „10 Trashhits in 10 Wochen“ verlieh ich mir selber die Lizenz zum Scheißespielen. Ich spielte Alone in the Dark 5, Jumper, Leisure Suit Larry und Saw, verliebte mich für einige Stunden heimlich in das Spiel Surf’s Up und befriedigte so meinen schmutzigen Trieb nach grünen, aufpoppenden Trophäen am unteren Bildschirmrand. Mit Titeln, von denen man besser nicht seiner Mutter erzählte, man wollte ja niemanden in der Familie enttäuschen.

Heute habe ich die Sache wieder ein bisschen besser im Griff, was mich allerdings nicht immer davon abhält, mir heimlich das eine oder andere 10-Euro-Spiel aus der Wühlkiste zu ziehen und mir ins Regal zu stellen. Schließlich hat mir das Internet verraten, dass man hier leicht an die begehrten Punkte kommen kann. Und sollte der Tag kommen, wo die Sucht stärker ist als der Verstand, will ich gut vorbereitet sein.

Das GS-System hat aber natürlich nicht nur Nachteile. So probiert man Dinge, die man vielleicht nicht unbedingt probiert hätte, und steckt mehr Zeit in Spiele, die es auch verdienen. Es kann ein gutes Spiel intensivieren und für mehr Spielspaß sorgen.

Mein Beruf und das ständige Verreisen haben natürlich dafür gesorgt, dass ich meine Sucht nicht jederzeit angemessen befriedigen kann. Dazu ist es auch ein bisschen bescheuert, seine Xbox in jedes Hotel der Welt mitzuschleppen. Außerdem kann die dabei ja auch kaputtgehen. Das will niemand, vor allem nicht ich. Aber da sich auch Microsoft der Macht seines Gamerscores bewusst geworden ist und es für das Unternehmen generell auf dem Mobiltelefonmarkt noch einiges zu holen gibt, hat man sich seit einiger Zeit dazu entschieden, das GS-System auch auf Windows und die eigenen Smartphones zu übertragen. Alles mit dem gleichen Konto. Ich bin der festen Überzeugung, dass man Letzteres nur für mich gemacht hat. Weil die das kennen mit dem Leben auf Tour. Der Bill kennt halt seinen Max. Und der will nur das Beste für seinen Max. Der gute Bill.

So kam es, wie es kommen musste: Die Gameswelt-Redaktion klingelte an meiner Tür, bewaffnet mit einem Koffer voll Geld, einem frischen Paar Airmag in Größe 43, drei tanzenden Prostituierten, die allesamt aussahen wie Katy Perry, und einem frischen Lumia-Handy. Man wollte mein wahnsinniges Schreibtalent und meine Leidenschaft für das Sammeln von Gamerscore-Punkten exklusiv für sich gewinnen. Zähneknirschend sagte ich zu, aber nur, wenn ich ... [ZENSUR - Anmerkung der Redaktion: Nein, Max. Nein!] ... ohne dass es rechtliche Folgen hätte. Man willigte jubelnd ein.

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