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Special - Kolumne: Handheld im Urlaub : Games-Albtraum in der Toskana

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Wie erkennt man einen Spiele-Nerd? Ganz einfach: Er schleppt seine Daddelkisten sogar im Urlaub mit. In meinem Fall bloß ein Handheld, genauer Sonys PSP. Beim Anblick des unschuldigen kleinen Kastens im Handgepäck fragte sich meine Freundin, was wohl schlimmer sei: Spiele-Nerd mit Konsole im Gepäck oder Videospieljournalist, der von seinen Arbeitsutensilien selbst in Bella Italia nicht die Finger lassen kann. Zu welchem abschließenden Urteil meine bessere Hälfte schlussendlich gekommen ist, weiß ich bis heute nicht - nach drei Stunden vorwurfsvollem Monolog ihrerseits verließ ich sie reumütig, um doch noch den Koffer zu packen. Schließlich sollte es mitten in der Nacht losgehen. Quer durch die Schweiz in das gelobte Land, wo Salami und Pizza auf den Bäumen wachsen. Ab in die Toskana!

Nach etwa 30 Minuten Bahnfahrt und mäßig angeregtem Gespräch mit der Reisebegleitung meines Herzens (welcher gesunde Mensch kann eigentlich die gefühlten dreihundert Städtebesichtigungspläne im Detail um vier Uhr morgens verhandeln?) zückte ich die PSP. Flugs endlich eines der Spiele eingelegt, für die ich bislang noch keine Zeit gefunden hatte - in diesem Fall Prince of Persia: Rival Swords. Die genervt durchdringenden Blicke der Freundin bewusst ignorierend, stürzte ich mich in das Action-Adventure und legte erst im Tessin eine Zwangspause zwecks Umsteigen ein. Alles wunderbar. Spiel toll, PSP funktioniert vorbildlich. Ich freute mich auf schöne Ferien, in denen ich ab und zu mal unbeschwert meiner Games-Vorliebe nachgehen durfte. Doch ich hatte mich getäuscht ...

Nach einer Odyssee, angereichert mit zahlreichen Flüchen über das, hmm, sagen wir mal "originelle bis südländisch-locker strukturierte" öffentliche Verkehrsmittelsystem in Italien, nach Schweiß, Tränen und der überraschenden Erkenntnis meiner Begleitung, dass wir tatsächlich nicht die einzigen Touristen in Norditalien waren, schafften wir es doch noch in unser Feriendomizil. Der Akku der PSP machte bereits nach einem Drittel des Weges, nach etwa vier Stunden, schlapp. Schlimm war das eigentlich nicht, denn sobald die Sonne Italiens munter ihre Morgenstrahlen ausstreckte, erkannte man auf dem Bildschirm nichts mehr. Okay, stimmt nicht: Staubkörner, Fingerabdrücke und kleine Kratzer waren dann doch nicht zu übersehen. Die dunklen Verliese des persischen Prinzen konnte ich nur noch erahnen und verzichtete darauf, noch weiter dutzende Male den (immerhin halbwegs erspähbaren) Game-over-Screen zu betrachten.

Der Mensch ist ein vergessliches Wesen. Oder zumindest ein naives. Auf jeden Fall hätten mir die bereits geschilderten Reiseerlebnisse eine Warnung sein müssen. Aber die PSP musste natürlich mit an den Strand. Gemütliches Bräunen am Mittelmeerstrand und dabei fröhlich PSP zocken, das klappte wegen der Sonne-Bildschirm-Problematik natürlich keineswegs. Nicht dass ich es nicht versucht hätte. Wie ein Junkie überall seinen Stoff mitnehmen muss, war die PSP mein ständiger Begleiter. Genau wie das Badetuch, das von der Größe her übrigens halb Liechtenstein verdunkeln könnte, die Sonnencreme, aus deren Spritzdüse erst nach dreißigmaligem Drücken ein zarter Hauch entsteigt, die sich aber ansonsten sofort in jeder Tasche ausleert, oder das brav sprühende, aber leider völlig wirkungslose Mückenspray.

Und nun die zentrale Botschaft dieses Reiseberichts: Nehmt NIE eine mobile Spielkonsole mit an den Strand. Vergesst es. Denkt nicht mal dran. Lasst meine Pein euch eine Warnung sein. Zunächst lockt man mit dem Teil so ziemlich jeden Rotzlöffel der Strände zwischen Pisas Riviera und Viareggio an. Erstaunlicherweise störte es die Gören nicht im Geringsten, dass auf dem Bildschirm nichts zu sehen war. Sie versuchten trotzdem, unverfroren darauf zu starren. Zwei Stunden Minimum. Von den sonstigen Badeurlaubern vermutlich als pädophiler Süßigkeitenverteiler eingestuft und bereits von Speiseeisflecken der sabbernden Kiddie-Meute vollgesaut, traute ich mich natürlich nicht mehr ins Wasser. Meine PSP wäre garantiert innerhalb weniger Nanosekunden weg gewesen. Derweil verzog sich meine Freundin mit leicht säuerlicher Stimmung (mit ihrem nicht minder kleinen Badetuch), um die Kinderschar vor meiner PSP nicht zu stören.

Die aufdringliche Glotzerei der präpubertären Meermonster war längst nicht das einzige Problem. Schon mal versucht, eine PSP möglichst sauber zu bekommen? Sodass länger als fünf Sekunden kein Fitzelchen Staub dran klebt? Unmöglich! Noch unmöglicher wird diese Sisyphosarbeit, wenn in jede Ritze des Geräts der Sand unnachgiebiger und schneller eindringt als die neben mir rumstehenden dicken Kinder in ein Haus mit einem gelben M im Logo. Stellt euch nun vor, ihr versucht diese Reinigung, während ihr sandpanierte Hände voller ausgelaufener, fettiger Sonnencreme habt. Von der verzweifelten Suche nach einer vergrabenen UMD-Scheibe ganz zu schweigen. Nach qualvoll langem Selbst-Grillen am Strand des Verderbens brachen wir endlich zurück zum Hotel auf. (An dieser Stelle ein kleiner Hinweis an mein Reisebüro: Es ist doch recht kreativ, mit "in der Nähe des Strandes" eine Distanz von zehn Kilometern zu bezeichnen.)

Die Nacht ist mein Freund. Wer braucht im Sommerurlaub schon quälende Sonne? Welcher Videospielanbeter ist überhaupt braun gebrannt? Wie ein Vampir erwartete ich sehnlichst die Nacht, das umschmeichelnde Dunkel, um endlich meine PSP zu zücken und auf dem prächtig leuchtenden Bildschirm Prince of Persia weiter zu zocken. Vor lauter Gaming-Gier beachtete ich nicht mal die Freundin, die sich schmollend mit ihrem Twilight-Roman in das stickige Schlafzimmer zurückzog. Ich hätte ja beim Spielen gerne mit dem persischen Prinzen getauscht: Der strahlende Held konnte mit etwas Geschick den aus Fallen emporschießenden Spießen ausweichen. Ich dagegen war den Millionen Mücken wehrlos ausgeliefert. Schon wieder waren ich und meine treue Spielkonsole umzingelt, diesmal nicht von Kindern, sondern von surrenden Blutsaugern. Beide Hände an den Handheld "gefesselt", musste ich wehrlos miterleben, wie ich gleich literweise ausgesaugt wurde. Mein roter Saft schwand schneller als der Strom aus dem PSP-Akku.

Es kam, wie es kommen musste: Die sich schon längst auf eine Minimalkonversation beschränkende Reisebegleitung war überzeugt, dass sich ihr Freund voller geschwollener Stechmücken-Einschusslöcher bestimmt eine südländische Variante der Schweinegrippe eingefangen hatte. Sie befahl einen 500 Meter umfassenden Mindestabstand. Ich tröstete mich damit, dass mir immerhin die Quarantäne in der Pumpenanlagenhütte des Hotel-Pools erspart blieb. Bald packten wir wieder die Reisekoffer für die Heimreise. Meine PSP nahm ich nicht mit. Ich tauschte sie gegen ein paar Blumen - ein verzweifelter Versuch, meine bessere Hälfte zu einem Lächeln zu überreden. Wahrscheinlich ist meine PSP inzwischen ein Navi auf einem Fischerboot vor der Küste Umbriens, lockt Kids jeden Alters zu einem Gelati-Verkäufer in Mailand oder wird als Panoramaleinwand in einem Mückenkino missbraucht. Meine Freundin brauchte dringend Ferien und reiste gemeinsam mit einer Kollegin nach Tunesien. Nächstes Jahr mache ich Urlaub in Spanien. Mein DS freut sich schon auf die Reise. Mein Paartherapeut auch.

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