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Special - Unabhängige Helden : Der Abstieg der Indie-Götter

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    Die Kernthese des Indie-Modells ist, dass nur Entwickler und Kunden nötig sind, um ein Produkt erfolgreich zu machen. Der Hersteller oder Publisher als Mittler, Agent und Vermarkter wird nicht mehr gebraucht. Auch das Modell "Crowdfunding" geht von dieser Annahme aus: Virtuelle Klingelbeutel wie Kickstarter sollen die Community-Lieblinge mit den Budgets versorgen, für die Publisher sonst in die Firmenkasse greifen oder Investoren auf den Plan rufen.

    Die Macht über den Spielemarkt liegt damit nicht mehr bei anonymen, monströsen Gebilden, sondern bei menschlichen Wesen, denen wir uns nahe fühlen, mit denen wir uns identifizieren können. Die Stars der virtuellen Welt sind damit wieder näher gerückt – und der Markt wurde von den Herstellern entkoppelt. Er befindet sich jetzt wieder dort, wo er hingehört: in den Händen der Horde. So die These.

    "Jeder" ist nicht "alle"

    Das Problem dabei: Zwar kann jeder den Aufstieg schaffen, aber "jeder" ist eben nicht "alle". Je größer die Horde, die in Richtung Himmelspforte drängt, desto geringer die Chance für den einzelnen, dass er es hindurchschafft. Je mehr Indie-Entwickler der Verlockung und dem Ruf gefolgt sind, desto überfüllter die Vertriebsplattformen dieser nicht mehr ganz so schönen und ganz so neuen Welt.

    Kein echter Indie-Titel: Das überdeutlich an Giana Sisters angelehnte Max: The Curse of the Brotherhood fühlt sich zwar wie eine Indie-Entwicklung an, kommt aber von einem Studio in Microsoft-Besitz – dem dänischen Team Press Play.

    Vor allem Steam und App Store haben ihre Schleusentore sperrangelweit aufgerissen – hier darf jeder mal. Alleine bei PS4 und Xbox One sind die Türsteher vor der Indie-Party noch immer auf Zack: Sie bewachen eine geschlossene Gesellschaft, zu der nur Einlass bekommt, wer zur Indie-Elite gehört. Zu den Größten der Kleinsten.

    Und das aus gutem Grund: Abseits der konsolischen Ökosysteme sorgt die Flut der Miniaturentwicklungen für die Sorte Gedränge, in dem der Einzelne nahezu unsichtbar wird – ganz gleich, wie gut er auch sein mag. Das Resultat dieser Entwicklung ist eine Indie-Szene, in der nur noch die wenigsten von ihrer Kreativität leben können. Der Überlebenskampf der Mini-Entwickler ist hart: So hart, dass sich auch hier eine "Me-too"-Kultur etabliert hat.

    Wer heute einen Blick auf Steam wirft, der entdeckt dort vor allem die Vertreter inzwischen totgerittener Genres: rundenbasierte Pixelrollenspiele, Rhythmuspixelrollenspiele, Pixel-Jump-'n'-Runs, Pixel-Shooter und zombifizierte Survival-Tests mit einem Schuss Minecraft. Die Kleinen halten es also längst wie die Großen. Um zu verkaufen, geht man lieber auf Nummer sicher. Auch die Indies haben verstanden: Mut bedeutet Risiko.

    Das "Double Fine Adventure" oder Broken Age gehört zu den Vorreitern der Kickstarter- und Crowdfunding-Euphorie: Leider hat man dem fertigen Spiel die stattliche Spendensumme von über drei Millionen Dollar kaum angesehen.

    Besser also, man setzt auf ein Pferd, das bereits ordentlich eingeritten wurde. Je mehr sich die Indies auf diese Weise professionalisieren, desto weniger "Indie" sind sie: Viele Hochschulabsolventen buhlen bei den Existenzgründerprogrammen von Vater Staat um Subventionen. Andere unterschreiben Verträge mit auf Indie-Publishing spezialisierten Herstellern. Für sicheres Geld. Für mehr Sichtbarkeit.

    Inzwischen gliedern sich die erfolgreichsten und bekanntesten Kleinststudios in die Konzernstrukturen der Publishing-Riesen ein – werden Teil der Ubisoft-, EA-, Microsoft- oder Sony-Maschine. Sie lassen sich entweder aufkaufen oder zumindest auf eine plattformexklusive Veröffentlichung ein, um sich auf diese Weise die finanzielle Unterstützung des Konsolenherstellers zu sichern. Titel wie Journey oder Ori and the Blind Forest mögen sich zwar wie Indie-Produktionen anfühlen und immer noch deren Geist atmen, aber streng genommen handelt es sich hierbei um First-Party-Entwicklungen. Klarer Fall: Wirklich "Indie" ist DAS nicht.

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