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Special - Bloodborne & Co. : Die Lust an schweren Spielen

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Als Kind hat man Zeit. Nach der Schule wird schnell das Mittagessen verputzt, danach geht es raus zum Fußball oder vor die Konsole. Die Hausaufgaben können schließlich auch am nächsten Morgen noch schnell abgeschrieben werden. Aber das Taschengeld ist knapp. Hat man sich einmal für ein Spiel entschieden, gibt es so schnell kein neues mehr. Kein Wunder also, dass auch ich mich als Dreikäsehoch richtig in Videospiele verbeißen konnte. Bei Mega Man 2 vermochte ich Dr. Wily und seine Roboter irgendwann im Schlaf zu besiegen, Super Probotector war selbst auf "hard" irgendwann kein Problem mehr und sogar der verhasste Wizpig bei Diddy Kong Racing musste sich geschlagen geben.

Denke ich daran zurück, beneide ich mich um meine Reflexe von damals. Aber auch um die Ausdauer und Willenskraft, die nötig waren, um selbst die schwersten Spiele zu bezwingen. Eigenschaften, die ich als Erwachsener abstreifte.

Seelenlos

Mit zunehmenden Alter wurden meine Spielgewohnheiten immer seichter. Vor allem Rollenspiele wie das erste Mass Effect oder die Dragon-Age-Reihe spielte ich auch gerne mal auf "leicht". Zum einen, um die manchmal recht monotonen Kämpfe nicht öfter angehen zu müssen, und zum anderen, um gemütlicher der Story folgen zu können. Andere Spiele wurden zwar auf dem Standardschwierigkeitsgrad durchgezockt, aber von Titeln, bei denen schon vorher bekannt war, dass man daran zu knabbern haben wird, ließ ich lieber die Finger.

Als dann vor ein paar Jahren die Souls-Spiele en vogue wurden – zuerst durch Demon's Souls, das noch als Geheimtipp galt, spätestens aber mit Dark Souls -, schwärmten viele von dem motivierenden Spielgefühl und der Befriedigung, die sie bei Erfolgen im knüppelharten Action-RPG empfanden. Mit der Zeit wurde ich dann doch neugierig. Zumal sich auch sehr geschmackssichere Kollegen, die nicht im Verdacht standen, masochistisch veranlagt zu sein, vor Lob geradezu überschlugen. Ich lieh mir das Spiel aus. Nachdem ich mich anfangs noch mehr schlecht als recht durchmogeln konnte, schwebte mein Pad bereits bei den zwei Gargoyles in höchster Gefahr. Beim Ziegendämon war dann endgültig Schluss. War es zu hart oder war ich zu schwach?

Der Weg des geringsten Widerstands

Rückblickend betrachtet störte mich nicht nur das keine Fehler verzeihende Spielprinzip an sich, sondern auch die weiten Wege, die man jedes Mal aufs Neue zurücklegen musste, sowie die Absenz jeglicher Hilfestellungen. Spiele hatten mich weich gemacht. Ohne Wegpunkte, komfortable Karte und überdeutliche Markierungen, was wo als Nächstes zu tun ist, war ich aufgeschmissen - hilflos wie eine Schildkröte auf dem Rücken.

Ich sah mich darin bestätigt, lieber leichtere Titel zu bevorzugen. Ich erklärte mir das ganz einfach damit, dass ich meine Freizeit nicht mit Spielen verbringen will, bei denen sich über den ganzen Abend hinweg kein Fortschritt einstellt. Nur frustriert auf der Stelle zu treten – dafür war mir meine Zeit zu schade. Wieso sollte man so viele Stunden in etwas investieren, das einen nur leiden lässt und sich damit auch noch schmückt. Spiele wie Dark Souls waren für mich nur was für Elitaristen, die offenbar sonst nichts mit ihrer Zeit anzufangen wussten.

Nachdem ein weiterer Versuch mit Dark Souls II noch kläglicher endete, schwor ich mir von Bloodborne die Finger zu lassen. Aber zu meinen Prinzipien gehört es, keine Prinzipien zu haben. Als bekannt wurde, dass die Mechanik anderen Regeln folgt und sich das Spiel schneller und direkter steuern lässt, beschloss ich der Souls-Reihe – und schweren Spielen an sich – noch eine allerletzte Chance zu geben. Würde mich auch Bloodborne winselnd in die Knie zwingen, wäre es vielleicht besser, sich schon mal ein gutes Altersheim zu suchen.

Renaissance

Dazu kam es zum Glück nicht. Mittlerweile habe ich fast 30 Stunden in Yharnam verbracht – und ich liebe es! Fast alles, was mich bei Dark Souls noch gestört hat, macht Bloodborne besser. Es ist flotter, dynamischer und alles in allem auch zugänglicher als seine Fantasy-Cousins aus dem Hause From Software. Dabei war auch hier der Einstieg echt hart. Aber als ich erstmals Pater Gascoigne in die ewigen Jagdgründe geschickt hatte und damit das Spiel quasi richtig begann, fiel der Groschen endlich. Ich begriff, warum diese Spiele so beliebt sind.

Eben weil sie es schaffen, den Alltag zu entschleunigen. Weil sie uns dazu zwingen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, anstatt immer schneller immer mehr zu konsumieren. Das trifft nicht nur auf die Action-Elemente von Bloodborne zu. Auch sonst nimmt einen das Spiel nicht an die Hand, sondern lässt bewusst Lücken, die man selbst füllen kann – aber nicht muss. Was ich einst als hinderlich empfand, entpuppte sich nun als echter Atmosphäregewinn.

Nervt es mich nach wie vor, für einen Boss ein Dutzend Anläufe zu brauchen oder mit 50.000 Blutechos im Gepäck von einem Stein erschlagen zu werden? Definitiv. Aber Bloodborne zeigt mir immer deutlich, dass jeder Tod zu vermeiden gewesen wäre. Es hält mir den Spiegel vor, ob ich seine Regeln gut genug beherrsche und würdig bin, seine weiteren Geheimnisse zu entdecken. Es verlangt von mir, mich alter Tugenden zu besinnen. Was ich damals als Zeitmangel abtat – war es nicht vielmehr schöngeredete Bequemlichkeit?

Obwohl (oder gerade weil?) es einige ganz Hartgesottene als Einsteiger-Souls bezeichnen: Bloodborne hat mir neue Lust an der Herausforderung gebracht. Zusätzlich wagte ich mich in den letzten Wochen an Ori and the Blind Forest, Hotline Miami 2 und Rogue Legacy – alles Spiele, die den Ruf haben, nicht gerade leichte Kost zu sein. Bei einigen lief es besser (bei Ori, das einige hier in der Redaktion für schwerer als Bloodborne halten, kamen mir wohl meine alten Jump-'n'-Run-Wurzeln zugute), an anderen (Hotline Miami) beiße ich mir die Zähne aus.

Aber die Lernkurve stimmt und die Motivation ist noch da. Was ich an Videospielen so schätze, ist die enorme Vielfalt, die sie uns bieten. Und dazu zählt eben auch der Schwierigkeitsgrad. Ich sage nicht, dass ich nie wieder ein Spiel auf “leicht“ spielen werde. Vielleicht wird das sogar schon bei The Witcher 3: Wilde Jagd passieren, sollte ich es primär wegen Welt und Story zocken wollen. Aber die Lust am Scheitern, der Spaß, mit der Aufgabe zu wachsen, und die Zuversicht in das eigene Können sind auf alle Fälle wieder da.

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